Österreich ist ein Sanierungsfall – das wird uns allen Opfer abverlangen. Das Wichtigste ist dabei,
ein langfristiges Ziel im Auge zu behalten und nicht im tagespolitischen Hickhack zu versinken.
Historiker und Ökonomen werden sich die vergangenen Jahre merken – als Paradebeispiel dafür, wie schnell sich ein Land selbst ruinieren kann. Österreich war lange sehr erfolgreich: Es gab Zeiten, da betitelten wir uns selbst gerne als „das bessere Deutschland“. Der Industriemotor brummte, jeder zweite Euro wurde im Export verdient. Und jetzt? Der öffentliche Sektor hat die Industrie als größten Arbeitgeber im Land abgelöst, die Deindustrialisierung unseres Landes schreitet leise, aber unerbittlich voran. Wir sind Letzter in Europa beim Wachstum – und gleichzeitig Erster bei den Lohnerhöhungen in allen Sektoren bei weniger geleisteten Arbeitsstunden.
Unsere Produktivität ist dadurch in den vergangenen Jahren massiv gesunken, sodass wir mittlerweile bei den Lohnstückkosten selbst Deutschland gegenüber nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Zusammen mit den überdurchschnittlich hohen Energiekosten, auch gegenüber dem übrigen Europa, ist unser gesamter Exportsektor (jeder zweite Euro!) nicht mehr konkurrenzfähig. Dazu kommt noch die Zollmalaise – das Ergebnis sind massiv wegbrechende Auslandsaufträge. Und diese können weder durch Inlandskonsum noch durch Tourismus, Dienstleistungen oder Agrarwirtschaft in irgendeiner Weise kompensiert werden. Gleichzeitig zeigt sich immer mehr, dass das bisherige „Sparpaket“ der Bundesregierung bei Weitem nicht reichen wird; dass wir es immer noch nicht schaffen, mit dem Geld, das wir einnehmen, auch einigermaßen ein Auskommen zu finden. Obwohl wir wieder einmal Rekordeinnahmen haben …
Insgesamt ist die Situation also reichlich düster. Mit klassisch österreichischen Lösungen – ein bisschen da drehen, ein bisschen dort umverteilen – werden wir nicht weiterkommen. Tatsächlich hieß es eigentlich ja auch „Nicht weiter wie bisher!“, als die aktuelle Bundesregierung gebildet wurde. Wir hätten es gerne alle geglaubt, aber noch ist davon wenig zu spüren.
In dieser Situation wird es eine Menge Solidarität benötigen – und zwar in der Form, dass wir uns alle in einer gewissen Zurückhaltung werden üben müssen. Das gilt einmal für die nahenden KV-Runden: Wenn wir unser Land wieder wettbewerbsfähig machen wollen, dann können wir nicht stur an der viel beschworenen Benya-Formel festhalten, nur „weil das immer so war“. Einmal ganz davon abgesehen, dass die Benya-Formel eigentlich auch die Produktivität mit einberechnen müsste. Was bedeutet das in Zeiten sinkender Produktivität? Eben genau, dass die Firmen in keiner Weise die Lohnerhöhungen verdienen und damit noch weniger in Österreich investieren können. Und ohne Investitionen kein Aufschwung.
Die Wahrheit ist so einfach wie unangenehm: In den kommenden zwei – oder vielleicht besser drei – Jahren werden wir uns keine Lohnerhöhungen in Höhe der überdurchschnittlichen österreichischen Inflation leisten können. Punkt. Wir sollten, nein, wir müssen in den nächsten Jahren Abschlüsse von maximal der halben Inflation zusammenbekommen, nicht nur bei den Aktiven; vor allem auch Beamte und Pensionisten werden mit weniger großzügigen Erhöhungen auskommen müssen. Denn die Wahrheit ist, dass unsere hohe Inflation vor allem eine lohngetriebene Inflation ist. Die Lohn-Preis-Spirale muss durchbrochen werden, sonst kommen wir aus der Misere nie heraus.
Solcherlei Vorschläge sorgen in Österreich immer sofort dafür, dass man angefeindet wird: „Neoliberal!“, heißt es dann; man wolle am Rücken der Ärmsten sparen und Ähnliches. Das ist aber Blödsinn. Vergessen wir eines nicht: Während wir bei Wachstum und Produktivität am unteren Ende der Skala herumgrundeln, sind wir in einem Bereich absolute Europameister: Mit Sozialausgaben in der Höhe von 31,6 Prozent des BIPs leisten wir uns nach wie vor den größten und teuersten Sozialstaat in der EU. Der Wohlfahrtsstaat ist aber nicht die Quelle, sondern die Folge des erarbeiteten Wohlstands. Und es verlangt ja auch keiner vollkommen radikale Maßnahmen im Stile der argentinischen „Kettensäge“ (auch wenn die Erfolge dieses Wegs hierzulande zum Nachdenken anregen sollten …) – sondern eben nur einen spürbaren, solidarischen Beitrag von allen.
Und ja, das heißt natürlich auch von uns Unternehmen! Nehmen wir das Thema Förderungen: Die Agenda Austria wagte kürzlich einen weitgehenden Vorschlag dahin gehend, dass man das Förderbudget auf das inflationsbereinigte Niveau von 2019 begrenzen sollte. Das würde den Wildwuchs an Förderungen per Gießkanne seit Corona sofort beenden. Jede neue Förderung müsste dann auch wirtschafts- und ordnungspolitisch begründet werden. Mit einem Schlag hätte die Politik wesentlichen finanziellen Handlungsspielraum gewonnen. Und seien wir ehrlich: Unterfördert waren wir in Österreich auch schon vor Corona nicht. Ach ja, und diesen Unsinn, dass jede Förderung und Leistung immer und überall valorisiert werden muss – diesen Luxus sollten wir auch rasch beenden. So wie in Italien die „scala mobile“ schon in den 70er-Jahren beendet wurde.
Das würde alle, auch Unternehmen, treffen – aber langfristig auch allen zugutekommen. Denn unser derzeitiger Kurs reitet uns nur weiter in den Abgrund. Überbordende Inflation, wachsende Schuldenberge, Unternehmen, die schrumpfen, abwandern oder gar für immer schließen, eine Steuer- und Abgabenhöhe, die Leistung nicht mehr belohnt, und, und, und …
Wir sollten endlich den Mut haben, den schönen Satz „Nicht weiter wie bisher!“ ernst zu nehmen. Denn die Wahrheit ist: Weiter wie bisher können wir uns ohnehin nicht mehr leisten. Die gute Nachricht: Wenn wir alle den Gürtel ein bisschen enger schnallen, für zwei, drei Jahre – dann können wir auch wieder zurückkommen auf jenen Erfolgskurs, auf den wir als „das bessere Deutschland“ so lange so stolz waren.
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