Im Interview mit „iv-positionen“ führt der neue Geschäftsführer des Wiener Arbeitnehmer*innen Förderungsfonds
(waff), Marko Miloradović, aus, warum er trotz vieler Herausforderungen relativ optimistisch in die Zukunft blickt.
Sehr geehrter Herr Miloradović, Sie haben im April dieses Jahres die Geschäftsführung des waff übernommen, der waff hat zudem im Juni sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Wohin soll die Reise in den nächsten Jahren gehen?
Die Gründung des waff war vor 30 Jahren die Antwort auf den laufenden Strukturwandel am Standort Wien. Heute befinden wir uns mit der Ausbreitung der künstlichen Intelligenz mitten in einer der größten Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft. Zugleich gibt es demografische Veränderungen – Stichwort Pensionsantritt der Babyboomer – und in einigen Bereichen einen Fachkräftebedarf. Diese Entwicklungen wirken sich in unterschiedlicher Weise auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Wirtschaft, Kapital und Arbeit aus. Sie bergen Chancen und Risiken, und der waff wird die Wiener dabei in ihrem beruflichen Weiterkommen so unterstützen, dass sie die Chancen der großen Bewegungen der Gegenwart und Zukunft ergreifen können; und auch die Instrumentarien bereitstellen, um die Wiener für Mangelberufe zu begeistern. Dazu gehören die Fortführung und Optimierung bestehender Angebote genauso wie die Entwicklung neuer Angebote, wie aktuell die Joboffensive für Jugendliche mit Zuschüssen zu Lohnkosten oder die erste Frauenstiftung in Österreich.
Hauptaufgabe des waff ist es, Wienerinnen und Wiener dabei zu unterstützen, fit für den modernen Arbeitsmarkt zu sein – was konkret heißt das und welche Programme des waff sind hier am erfolgreichsten?
Im Laufe des Arbeitslebens ändern sich die Anforderungen im Job und oft auch die eigenen beruflichen Interessen. Am Ende will oder muss ich mich beruflich weiterentwickeln – etwa mit einer beruflichen Aus- und Weiterbildung –, damit ich die Arbeit ausüben kann, die zu mir passt; und damit ich den beruflichen Anforderungen gewachsen bin.
In diesen Situationen unterstützt der waff die Wiener bei Veränderungsprozessen mit Information, kostenloser Beratung und Geld. Wir wollen unsere Kunden informieren und mit fundierter Beratung in die Lage versetzen, für sie die beste Aus- und Weiterbildungsentscheidung zu treffen. Und damit Aus- und Weiterbildung leichter leistbar wird, gibt es vom waff auch Förderungen.
Darüber hinaus bietet der waff gemeinsam mit dem AMS Wien ein echtes Premiumpaket für Ein- und Umsteiger an: eine kostenlose Ausbildung und eine fixe Jobzusage – dauert die Ausbildung länger als zwölf Monate, gibt es neben der AMS-Leistung auch noch das Wiener Ausbildungsgeld dazu; gemeinsam mindestens rund 1.500 Euro monatlich über die gesamte Ausbildungsdauer. Hier arbeiten wir mit Unternehmen zusammen, die konkrete Fachkräfte benötigen. Der waff übernimmt das Bewerbermarketing und die Vorauswahl der Bewerber; in der Ausbildung werden dann Praktika schon im Kooperationsunternehmen absolviert. Damit erhalten Betriebe nach erfolgreichem Abschluss sofort einsetzbare neue Mitarbeiter. Alles in allem haben im Vorjahr über 42.000 Wienerinnen und Wiener die Angebote des waff angenommen.
Derzeit sind die Veränderungen im Arbeitsumfeld rasanter denn je, Stichworte Digitalisierung und KI – ist es überhaupt möglich, heute schon zu sagen, welche Qualifikationen morgen gefragt sein werden? Wie sollen sich die Menschen auf die derzeitigen Umwälzungen vorbereiten?
Es ist aus meiner Sicht klar, dass wir in Zukunft enorme wirtschaftliche Potenziale in den Bereichen Green Jobs – von Energie, Verkehr bis zur Sanierung des Wohnbestands –, IT, Tourismus und in der Gesundheitswirtschaft im weitesten Sinne heben können. Mit der demografischen Kurve an beiden Enden des Altersspektrums ist Wien zudem privilegiert, weil wir keine Arbeitskräfteverknappung erleben werden wie in anderen Regionen des Landes; umso wichtiger werden Pflegeberufe und die Pädagogik.
Mit einer positiven Einstellung zu Veränderungen kann vieles erreicht werden. Offen zu sein und neugierig zu bleiben helfen sicher gut durch das abwechslungsreiche Berufsleben. Aber es ist klar, dass sich im Laufe eines Erwerbslebens der eigene Beruf und das Umfeld verändern werden; das erfordert ein gewisses Maß an Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit. Vieles, was da kommt, ist noch nicht absehbar. Für uns alle sollte daher gelten: neugierig bleiben, kritisch denken, Akteur sein.
Sie selbst sind in Tirol aufgewachsen, arbeiten aber nun schon seit vielen Jahren in Wien und sind seit Langem auch im politischen Umfeld aktiv. Wo sehen Sie die größten Stärken der Stadt – und wo die größten Schwächen?
Man möge es mir in meinem Tirol verzeihen, aber Wien ist die schönste Stadt der Welt – und das Besondere im europäischen Vergleich ist, dass in Wien die Infrastruktur mit dem Bevölkerungswachstum mitgewachsen ist, das ist sogar die fundamentale Leistung dieser Stadt. Sie ist seit 1990 um fast 500.000 Einwohner gewachsen, und mit ihr das Verkehrsnetz, die Energiesicherheit, die medizinische Versorgung und auch die Arbeitsplätze. Wer andere europäische Großstädte besser kennt, weiß, dass sie mittlerweile teilweise nicht mehr leistbar sind – und das, ohne das Niveau an öffentlichen Leistungen Wiens zu erreichen. Herausforderungen gibt es natürlich etliche, aber man muss sie annehmen und sich nicht davor schrecken, denn unsere Probleme sind nicht unlösbar.
Eine besondere Herausforderung ist die Erweiterung der Perspektive, denn wir sind zu klein, um zu verzwergen. Wien ist das Zentrum eines wirtschaftlichen Ballungsraums, der Ostregion; Wien ist auch das Zentrum der Life Sciences in Österreich, während man beispielsweise im Tiroler Kundl die letzte in Europa verbliebene Penicillin-Produktion vorfindet. In solchen Netzwerken muss man denken. Hier gibt es Erfahrung und Perspektive.
Stichwort Zuwanderung – Wien ist aus verschiedenen Gründen offenbar sehr attraktiv für zugewanderte Menschen, wodurch auch zu viele asylberechtigte Menschen mit geringer Qualifizierung in die Bundeshauptstadt strömen. Tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit in Wien auch besonders hoch. Wie bewerten Sie das – kann Aus- und Weiterbildung helfen oder stoßen wir an die Grenzen des Machbaren?
Viele anerkannte Flüchtlinge kommen nach Wien, weil sie vor Ort in den Bundesländern weniger Perspektiven vorfinden. Das wird in der Debatte oft unterschätzt. In Wien gibt es oft eine entsprechende Community aus dem Herkunftsland, von der sich Neuankömmlinge Unterstützung erhoffen. Angesichts der Fluchtbewegungen der letzten Jahre aus Afghanistan, Syrien und der Ukraine zeigen sich am Arbeitsmarkt Licht und Schatten: Im Juli 2025 waren in Wien rund 30.000 Personen aus diesen drei Staaten beschäftigt – mit steigender Tendenz. Allerdings waren auch in etwa genauso viele arbeitslos. Das zeigt, wie viel hier noch zu tun ist. Gleichzeitig sind diese Neo-Wiener eine wertvolle Ressource angesichts der Pensionierung der Babyboomer und des Fachkräftebedarfs. Der waff unterstützt in seinem Bereich auf jeden Fall die berufliche Weiterentwicklung der asylberechtigten Wiener auch in die Bereiche Gesundheit, Pflege, Pädagogik, IT und dergleichen.
Wenn Sie drei Top-Prioritäten nennen müssten, damit Wien als Arbeits- und Wirtschaftsstandort auch in Zukunft erfolgreich ist, welche wären es?
Bildung, Zuversicht, Mut. Für Wien ist die Innovationskraft unter anderem in den Stärkefeldern IT und Digitalisierung, Life Sciences und darüber hinaus wichtig. Gleichzeitig ist die Lebensqualität in unserer Stadt auch ein Wirtschaftsfaktor und spielt eine große Rolle im Standortwettbewerb mit anderen Städten. Um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir Bildung vom Kindergarten an über die Schullaufbahn und dann weiter im Berufsleben. Und hier wird der waff die Wiener weiterhin als Mutmacher beim Weiterkommen im Beruf unterstützen und begleiten.