Im Rahmen der Vollversammlung der IV-Wien konnte Präsident Christian C. Pochtler heuer den deutschen Ökonomen
Hans-Werner Sinn als Gast begrüßen. Dessen Befund über die Gründe des industriellen Niedergangs in Deutschland
und auch Österreich fiel recht eindeutig aus.
In seiner Eröffnungsrede hatte bereits Präsident Pochtler sehr deutlich den aktuellen wirtschaftlichen Zustand in Österreich kritisiert: Nach all den Jahren der Rezession befinde man sich derzeit in einer Stagflation. Der wichtigste Wirtschaftsmotor des Landes, die Industrie, schrumpfe seit Jahren, Beschäftigung und Wertschöpfung seien weiter im Sinkflug. „Nur eines ist in Österreich ungebrochen weitergewachsen: Der öffentliche Sektor“, so Pochtler. Mittlerweile habe der öffentliche Sektor sogar die Industrie als größter Arbeitgeber überholt. Österreich befinde sich damit auf einem Pfad, der alles andere als nachhaltig sei, so der Präsident: „Die staatlichen Ausgaben liegen chronisch um 20 Prozent über den Einnahmen. Wir leisten uns den teuersten Sozialstaat, sind gleichzeitig durch sinkende Produktivität seit 2015 absolutes Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum und der Wettbewerbsfähigkeit.“ Angesichts dessen könnten nur mehr „Leute, die völlig faktenbefreit argumentieren“ behaupten, dieser Kurs sei auch nur irgendwie zu halten. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich seien derzeit Regierungen an der Macht, die aus teilweise völlig konträren ideologisch geprägten Parteien bestehen. In Folge sehe man „viel zu oft faule Kompromisse, die gerade in Krisenzeiten eigentlich Stillstand bedeuten“, so Pochtler.
„Ökosozialismus“
Hans-Werner Sinn begann anschließend seine Keynote mit einer relativ ernüchternden Bestandsaufnahme. Sowohl in Deutschland als auch Österreich habe man in den vergangenen zwanzig Jahren zwei wesentliche Krisen erlebt, sowohl im Zuge der Lehmann-Pleite als auch zu Beginn der Coronapandemie sei es schnell bergab, aber auch relativ schnell wieder bergauf gegangen. 2018 sei es aber davon unabhängig in Deutschland zu einem Trendbruch gekommen, die Industrieproduktion begann zu sinken. Ein Trend der bis heute anhält. So sei die Industrieproduktion seit 2018 in Deutschland um 15 Prozent gesunken, so Sinn. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum konnte die Schweiz einen Zuwachs von 27 Prozent verzeichnen. Im direkten Vergleich mit Deutschland stehe hier sogar Österreich mit einem Plus von sieben Prozent besser da, „im Vergleich zu Deutschland: Kompliment“, kommentierte Sinn süffisant. Im Kern seien jedenfalls die beiden Leitindustrien Deutschlands am stärksten betroffen, sowohl bei der Automobilindustrie als auch bei der chemischen Industrie betrage der Rückgang satte 22 Prozent. Der Grund: „Ein religiöser Wahn“ habe sich durchgesetzt, nämlich der „Ökosozialismus“, so der Professor deutlich.
Sinn legte im Detail dar, warum aus rein pragmatischer Sicht der Dekarbonisierungspfad, den die Politik vorlegt, also Klimaneutralität bis 2050 oder gar 2040, vollkommen unrealistisch sei. Das sei maximal „durch eine komplette Deindustrialisierung und damit weitverbreitete Armut“ erreichbar. „Wir kasteien uns selbst und machen unsere Industrie kaputt – und erPräsident Pochtler mit dem Keynote-Speaker Professor Sinn. reichen gleichzeitig für das Klima keinen messbaren Effekt“, so Sinn. Dass Europa einseitig versuche, das Klima zu retten, etwa über „Verbrenner-Verbote“, sei absurd. Andere Länder würden das, was wir an CO2 einsparen, mehr als nur kompensieren. Der Verbrauch verschiebe sich nur, für das Weltklima sei die Auswirkung damit eben nicht einmal vorhanden, so Sinn, der daher auch von der „erzwungenen Deindustrialisierung“ sprach. Der deutsche Ökonom gab schließlich auch noch Hinweise, was man tun könne, um wieder mehr Wachstum zu erreichen. In Österreich wie auch in Deutschland werde einmal schlicht zu wenig gearbeitet, die Abschaffung von Feiertagen, eine Anhebung des Pensionsantrittsalters oder auch die Einführung eines Selbstbehalts bei Krankheit, nur für den ersten Tag, könnten hier positive Impulse geben. Beim Thema Zuwanderung schlug Sinn eine verzögerte Integration in das Sozialsystem vor, damit könne man den größten Pull-Faktor für die Zuwanderung mit einem Schlag beseitigen.



