Standort: Müssen stärker fokussieren

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Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

In der Vorstandssitzung der IV-Wien am 13. Mai drehte sich alles um dringend notwendige Veränderungen in Österreich und Europa. Deutlich wurde dabei jedenfalls, dass wahre Mammutaufgaben auf uns warten.   

Präsident Christian C. Pochtler war zu Beginn der Sitzung bemüht, auch positive Entwicklungen zu würdigen: So sei die konjunkturelle Lage nach wie vor schwach, aber immerhin etwas stabiler, auch die Energiekosten seien gesunken, wenn auch noch immer auf viel höherem Niveau als vor Corona, und die Inflation sei ebenfalls zurückgegangen, werde aber erst in drei bis vier Jahren den Zielwert von zwei Prozent erreichen. Insgesamt sei es aber schwer, optimistisch zu bleiben, wie der Präsident beispielsweise mit Blick auf das österreichische Budget ausführte: „Wir planen, in den kommenden drei Jahren immer rund 20 Prozent mehr auszugeben, als wir einnehmen.“ Trotzdem seien jetzt bereits die ersten „Wahlzuckerl“ mit Blick auf den Herbst angekündigt worden. Gleichzeitig würden „Träumereien“ wie eine Vier-TageWoche oder noch mehr Urlaub diskutiert. Dabei befinde sich Österreich längst „vor einem Umbruch in Richtung beschleunigte Deindustrialisierung und Wohlstandsverlust“.

Aus seiner Sicht ist es daher in der Standortpolitik notwendig, „noch mehr zu fokussieren“ und die wichtigsten Themen dafür umso konsequenter anzupacken, wie Pochtler ausführte: So müsse man Mehrleistung attraktivieren und mit Blick auf die gesamte Volkswirtschaft die geleisteten Arbeitsstunden übers Jahr erhöhen. Das bedeute, dass man die Einkommenssteuer spürbar senken müsse und sicherlich keine neuen, zusätzlichen Steuern einführen dürfe. Auf der Ausgabenseite sei es höchst an der Zeit, endlich die Dauerbaustelle Pensionssystem anzugehen. Angesichts der zunehmenden Zersplitterung der Parteienlandschaft fände er hierzulande außerdem den Wechsel hin zu einem Mehrheitswahlrecht überlegenswert. In Europa sei es derzeit am allerwichtigsten, die „Regulierungswut“ wieder in den Griff zu bekommen.

„Stärke nach außen, Freiheit nach innen“

 Der Europaabgeordnete Lukas Mandl nahm diesen Ball als erster Gast der Vorstandssitzung direkt auf: Auch er sah es als zentrales Anliegen, die Überregulierung abzubauen und in Europa durch mehr Produktion und Forschung einen Aufschwung zu entfachen. Bezüglich des Abbaus an überbordender Regulierung sowie der Stärkung des Binnenmarkts in der EU liefere der Bericht des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und EU-Sonderbeauftragten Enrico Letta erste gute Impulse. Das Ziel müsse sein, Europa möglichst rasch resilienter zu machen, so Mandl; seine Vision laute dabei „Stärke nach außen, Freiheit nach innen“. Aus seiner Sicht sei es dringend geboten, Europa bis zum Herbst „fit für alle Szenarien“ zu machen, deshalb dürfe man sich dieses Mal auch nicht zu lange Zeit lassen mit der Bestellung einer neuen Kommission. „Anfang November sind in den USA Wahlen, bis dahin muss Europa vorbereitet sein und die Fähigkeit haben, sich notfalls selbst zu helfen.“ Das bedeute unter anderem, dass Europa Abhängigkeiten von anderen Staaten und Regionen in möglichst allen Bereichen weiter abbauen müsse; es bedeute aber auch, dass man dem Thema Verteidigung noch mehr Aufmerksamkeit schenken müsse, so Mandl: „Seit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gab es viele gute Anfänge – aber auch diese Schwalbe macht noch keinen Sommer.“ Mandl würde sich beispielsweise einen eigenen Kommissar für Verteidigung wünschen.

Für ein besseres Funktionieren Europas sei außerdem die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU notwendig – hier gehöre aber auch Österreich selbst immer wieder eher zu den Bremsern. Mit Blick auf die aktuellen Debatten in Österreich meinte Mandl, die Menschen hätten, von Corona mitbefeuert, eine falsche Einstellung zum Thema Arbeit – der sinnstiftende Aspekt von Arbeit sei etwa völlig aus dem Fokus geraten. „Dieses Problem müssen wir unbedingt angehen!“, so Mandl. 

Misstrauen und „Suderei“ 

Mit ein paar Anmerkungen zur Einstellung der Österreicher zu manchen Themen begann im Anschluss Peter Hajek seinen Impuls mit Blick auf das „Superwahljahr 2024“. So habe er oft den Eindruck, in Österreich werde „mehr gesudert, als es uns wirklich schlecht geht“. Es gehe sich oftmals für viele aus, nur halbtags zu arbeiten und dennoch einen guten Lebensstandard zu haben. Auch in Umfragen werde daher deutlich, dass die Mehrheit nur sehr schwer für längere Arbeitszeiten zu motivieren sei. Problematisch sei hierzulande, dass mittlerweile acht von zehn Österreichern der Politik mit Misstrauen gegenüberstehen. Gleichzeitig sei es aber ebenfalls ein typisch österreichisches Phänomen, dass „sowohl die Bevölkerung als auch sogar manche Unternehmer immer viel zu schnell nach dem Staat rufen“, so Hajek. 

Es brauche einen kulturellen Wandel im Land. Hajek nannte auch konkrete Beispiele, wie man den Menschen Denkanstöße geben könnte: So könnte man wie in der Schweiz den Menschen ihr Gehalt brutto auszahlen, die Steuern werden erst später über die individuelle Steuererklärung eingehoben. In Österreich könnten nämlich viele derzeit nicht einmal zwischen Brutto und Netto unterscheiden; sie sehen nur, was am Konto landet.