„Wir brauchen die Wissenschaft als Talenteschmiede & als Ort für radikal Neues"

Kontakt

Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) Geschäftsführer Michael Stampfer sprach mit deniv-positionen über den Forschungsstandort Wien.

Der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Spitzenforschung in Wien zu stärken. Laut der letzten F&E-Statistik entfallen mehr als die Hälfte der F&E-Ausgaben  auf den Unternehmenssektor. Welche Förderinstrumente stellt der WWTF in diesem Zusammenhang zur Verfügung und wie kann die Wiener Industrie von den Leistungen des WWTF profitieren?


Zuerst ist die Frage zu stellen: Wohin fließen heute bei uns die im internationalen Vergleich reichlichen staatlichen Fördermittel? Es zeigt sich, dass die Förderlandschaft im Gegensatz zu Ländern wie der Schweiz stark auf Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet ist. Da es aber auch ein Übermorgen gibt, brauchen wir die Wissenschaft als Talenteschmiede und als
Ort für radikal Neues. 

Die Wissenschaft bildet Top-Experten aus und schlägt die Brücke zur Verwertung. Wichtig sind die richtigen Signale bei der
Finanzierung: längerfristige Investitionen, kritische Massen, kompromisslose Qualität, Offenheit für „real world problems“. Auf all das schaut der WWTF: Wir fördern Spitzenforscher oft in einem frühen Karrierestadium, bringen sie mit der Außenwelt zusammen und schärfen ihre Aufmerksamkeit für Patente, Gründungen und Kooperationen.


Thematisch fördert der WWTF Projekte aus den Bereichen „Kognitionswissenschaften“, „Life Sciences“, „Umweltsystemforschung“ und „Informations- und Kommunikationstechnologie“. Wie kam es zu dieser Auswahl
und was sind die zentralen Faktoren, um in diesen Sektoren internationaler Spitzenreiter zu werden?


Life Sciences und Computerwissenschaften sind Stärken in Wien, und die wollen wir weiter stärken; auch damit die innovativen Unternehmen vor Ort ein kräftiges Gegenüber haben. Es gibt breite Calls und spezifische Ausschreibungen wie Präzisionsmedizin oder Digitaler Humanismus. Auch in der Umweltsystemforschung setzen wir Anreize, damit Disziplinen verknüpft und Stärken gebündelt werden. Die Kognitionswissenschaften schließlich sind ein Gebiet, das in Wien einen
Aufschwung erlebt und großes Potenzial für Spillovers hat. Wir analysieren genau, wenn wir uns einem Thema zuwenden, in der Regel mit internationalen Experten und im Dialog mit Stakeholdern, Industrie und der Stadt Wien. Wir greifen kein Thema an, das unterkritisch oder ewig in den Grundlagen zu verbleiben droht.


Der WWTF setzt durch seine Arbeit aktive Schwerpunkte mit dem Ziel, Wien bis 2030 zu einer der fünf führenden Forschungs- und Innovationsmetropolen zu machen. Welche Herausforderungen gilt es bis dahin zu bewältigen
und mit welchen Städten müssen wir uns hierbei vergleichen?


Wir sind stolz, mit unserer Arbeit als privatgemeinnützige Organisation einen Beitrag zu diesem Ziel zu leisten. Da wir als Metropole in einem globalen Wettbewerb um Talente, Ansiedlungen und Themenführerschaften stehen, ist es sinnlos, sich mit dem Durchschnitt zu vergleichen. Wir müssen die sportliche Herausforderung annehmen, nicht nur fast so gut zu sein wie München, Zürich, Kopenhagen oder Amsterdam. Das ist unser Anspruch.


Mit unseren 15-20 Mio. Euro pro Jahr helfen wir, kühne Ideen junger Forscherinnen und Forscher zu verwirklichen, Brücken
zwischen Disziplinen und Themen zu schlagen und das Wiener Profil zu gestalten. Wir wollen einen Beitrag leisten, dass
zukünftige Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger nicht weggehen, nachdem sie ihre bahnbrechenden Entdeckungen gemacht haben, sondern bei uns bleiben. Der Cocktail ist nicht schwer zu mixen: Geld, Infrastruktur, Willkommenskultur, Karrieremodelle, Qualität, Schwerpunkte.


Neben den hochinnovativen produzierenden Betrieben ist eine exzellente und florierende Universitätslandschaft gepaart mit talentierten Forschern ein wesentlicher Faktor für einen erfolgreichen Forschungsstandort. An welchen Stellschrauben müsste man drehen, um die Rahmenbedingungen für universitäre Forschung in Wien weiter zu verbessern und damit noch mehr Top-Talente nach Wien zu holen?


Wir haben schon viele Zutaten zum Cocktail, aber auch noch einiges zu tun. Die Universitäten sind im internationalen Vergleich unterfinanziert, der unbedingte Wille zur Spitzenqualität sollte sich weiter auf die Rekrutierung, beim Nachwuchs und in den Karrierepfaden niederschlagen.

Der WWTF hat in Zusammenarbeit mit den Universitäten das „Vienna Research Groups“ Programm seit 2010 laufen, mit dem wir Jungstars aus aller Welt nach strenger Auswahl nach Wien holen; die Universitäten bieten dazu attraktive Karrierewege an. Einige dieser 25 Jungstars sind bereits Professoren geworden, mehrere arbeiten intensiv mit Unternehmen zusammen. Wir haben dafür eben in einer internationalen Evaluierung Bestnoten erhalten. Das Beispiel zeigt, es ist gar nicht so schwer, das Richtige zu machen. Qualität ist skalierbar.


Foto: Lukas Beck

Michael Stampfer, Geschäftsführer Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF)