REFORMEN ODER ABSTIEG

Der gelernte Österreicher ist immer skeptisch, wenn es um die Politik geht. Andererseits: Gerade jetzt sollten wir der Politik eine Chance geben – denn diese Regierung ist die wichtigste seit 30 Jahren!

7.7.2025

Es war mir persönlich ein Anliegen, im Rahmen unseres Sommerfests Bundeskanzler Christian Stocker genau das in aller Deutlichkeit mitzuteilen: Keine Bundesregierung seit 30 Jahren war so wichtig, so entscheidend wie diese. Denn noch nie haben wir einen solchen Umbruch der Weltordnung erlebt wie jetzt. In vielerlei Hinsicht ordnet sich die gesamte Welt gerade neu: politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, technologisch. Das Weltklima verändert sich – im doppelten Sinne. Die neue Welt, die nun entsteht, verlangt nach Orientierung, Führung und Verantwortung. Damit kommt es jetzt umso mehr auf jene an, die Entscheidungen treffen – ob nun in der Politik oder der Wirtschaft. 

Dies stand daher auch im Zentrum unseres Sommerfests – und unsere beiden Ehrengäste, sowohl Bürgermeister Michael Ludwig als auch Bundeskanzler Christian Stocker, haben dieses Thema in ihren Impulsen aufgegriffen. Etwas einfacher hatte es da in gewisser Weise Bürgermeister Ludwig: Die Stadt Wien ist für die Rahmenbedingungen, die Österreich als Wirtschaftsstandort derzeit so unattraktiv machen, nicht zuständig. Das ist nun einmal die Aufgabe des Bundes. Selbstverständlich gibt es aber auch in Wien genug zu tun – und im Rahmen der Bildung der neuen Stadtregierung wurden wichtige Baustellen bereits angesprochen: Reform der Mindestsicherung, mehr Sparsamkeit bei den Ausgaben … Den Verlust des ersten Platzes bei der Lebensqualität sollten wir alle als Ansporn betrachten – man wird sehen, was nun in Wien tatsächlich verbessert werden kann.

Selbstverständlich werden wir uns in der Stadt weiterhin konstruktiv einbringen, das Arbeitsverhältnis mit der Wiener Stadtregierung ist ein traditionell sehr gutes. Ich wüsste nicht, warum dies jetzt anders werden sollte. Insofern freuen wir uns auch bereits auf die Zusammenarbeit mit „unserer“ Stadträtin für Wirtschaft, Finanzen und Internationales, Barbara Novak. Wien war in den vergangenen zwei Jahren das einzige Bundesland, das zumindest ein wenig Wirtschaftswachstum verzeichnen konnte. Hier geht einiges in die richtige Richtung, Hausaufgaben gibt es aber dennoch genug. Entscheidender für die Zukunft unseres Landes ist derzeit allerdings die Bundespolitik.

Bundeskanzler Christian Stocker hat in seiner Rede im Arkadenhof des Wiener Rathauses erfrischend offene und ehrliche Worte gefunden. Was soll man auch schönreden, wenn Österreich beim Wachstum an der letzten Stelle Europas rangiert, während wir bei der Abgabenquote oder auch den Lohnkosten unangefochten an der ersten Stelle liegen? Das Credo unseres Bundeskanzlers ist es, dass wir uns nur gemeinsam wieder aus dieser Misere herausarbeiten können. Das ist sicher der richtige und auch einzig realistische Ansatz.

Tatsächlich ist gerade diese Bundesregierung zum Erfolg verdammt – davon war bereits während der langen Regierungsverhandlungen immer wieder die Rede. Allerdings ist sie eben nicht nur zu diesem Erfolg verpflichtet, weil sie sonst das nächste Mal an den Wahlurnen abgestraft werden würde; sondern auch, weil unser schönes Österreich tatsächlich massive Probleme hat. Wir haben uns – vor allem wegen überzogener Lohnrunden in Folge einer massiven Inflationswelle, die wir durch viele falsche politische Maßnahmen selbst noch befeuert hatten – aus den internationalen Märkten gepreist; auch innerhalb Europas.

Das Doppelbudget 2025/26 kann angesichts dieser Lage nur ein erster Schritt gewesen sein – eine Pflichtübung, mehr aber auch nicht. Auf strukturelle Reformen warten wir noch immer. Man hat nun zumindest den Eindruck, dass den meisten handelnden Personen sehr wohl klar ist, dass das alles noch nicht ausreichen wird, um Österreich wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Das zeigt sich beispielsweise auch daran, dass wir in Österreich nun – zumindest! – eine Art „Strompreiskompensation light“ für energieintensive Betriebe bekommen. Andere Länder, etwa unser Nachbar Deutschland, machen mehr, wir haben also weiter einen Wettbewerbsnachteil, aber immerhin …

Aber haben wirklich ALLE verstanden, wie ernst die Lage tatsächlich ist? Dass wir das Geld, das wir ständig verteilen und das wir nach dem notwendigen Sparkurs auch wieder investieren wollen, auch erst einmal verdienen müssen? Etwa das sture Festhalten an der hochgepriesenen „Benya-Formel“ hat uns einen großen Teil der Suppe eingebrockt, die wir gerade alle auslöffeln dürfen. Hier bräuchte es dringend ein radikales Umdenken.

Aber egal, ob nun bei den Löhnen oder auch bei Diskussionen über die jährlichen Pensionserhöhungen: Sobald man auch nur ein wenig Zurückhaltung fordert, wird man in Österreich so dargestellt, als wolle man den Bedürftigen, die hierzulande natürlich Legion sind, auch noch die Butter vom Brot nehmen. Verwunderlich, dass es so vielen unserer Landsleute angeblich so extrem schlecht geht – und wir trotzdem die höchste Teilzeitquote in ganz Europa haben. Oder denken Sie an die hohe Sparquote im Land.

Vielen ist klar geworden, dass ein „weiter wie bisher“ nicht mehr geht. Aber reicht es bereits für echte Veränderung? Wenn wir dieses schicksalhafte Jahr nicht dafür nutzen, uns mittels struktureller Reformen neu aufzustellen, ist uns ein Abstieg in die Regionalliga Ost für viele Jahre sicher. Der Anspruch Österreichs sollte aber jedenfalls ein anderer sein!


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Christian C. Pochtler