„Wien als digitale Hauptstadt Europas“

Im Interview mit „iv-positionen“ spricht die neu gewählte Wiener Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling über ihre wichtigsten Vorhaben für die kommenden Jahre.

Sehr geehrte Frau Emmerling, wir gratulieren herzlich zu den erfolgreichen Koalitionsverhandlungen und zur Wahl zur Vizebürgermeisterin sowie amtsführenden Stadträtin für Bildung, Jugend, Integration, Transparenz und Märkte! Was sind nun Ihre wichtigsten Prioritäten für die kommenden fünf Jahre? Welche Projekte sind Ihrer Meinung nach am dringendsten umzusetzen? 

Die Aufschwungskoalition macht Wien zukunftsfit – sozial, wirtschaftlich, demokratisch und klimabewusst. Mein Fokus liegt dabei neben Jugend, Integration, Transparenz und den Wiener Märkten vor allem auf der Bildung. Sie ist der Schlüssel für alles Weitere – deshalb setzen wir auf frühkindliche Förderung und einen Fokus auf die gemeinsame Sprache Deutsch. Wir haben die „Mission Deutsch“ gestartet: Kinder mit erhöhtem Förderbedarf sollen künftig 30 Stunden pro Woche verpflichtend im Kindergarten betreut werden. Auch der Chancenindex wird auf den Kindergarten ausgeweitet. In der Schule rücken wir Demokratiebildung, psychische Gesundheit und Partizipation stärker in den Mittelpunkt. Integration wollen wir mit einem Wiener Integrationskodex stärken, der einen klaren Rahmen für unser Zusammenleben festlegt. 

Vor allem im Bildungsbereich stehen wir in Wien und ganz Österreich aktuell vor großen Herausforderungen – wie erreichen wir insbesondere im Kindergarten und in den Schulen grundlegende Verbesserungen? 

Um Verbesserungen im Bildungsbereich zu erreichen, bauen wir das System strukturell um: Mit dem Chancenindex steuern wir Ressourcen dorthin, wo Kinder mehr Unterstützung brauchen – nicht nur in der Schule, auch im Kindergarten. Der Kindergarten wird als erste Bildungseinrichtung massiv gestärkt  – mit besseren Betreuungsschlüsseln, längerer verpflichtender Anwesenheit bei Sprachförderbedarf und einer Stärkung der Mitwirkungspflicht der Eltern. Programme wie „Wiener Bildungschancen“ bringen künftig auch im Kindergarten kostenlose Zusatzangebote  – von Sprachförderung bis Musik. Für mehr Personal schaffen wir einfache Zugänge für Quereinsteiger und bauen Ausbildung sowie Begleitung gezielt aus. In der Schule stärken wir Demokratiebildung, Präventionsarbeit und Schulsozialarbeit – und setzen auf moderne Kommunikation: Die „Wiener Bildungspost“ verbessert den Austausch mit Eltern, digitale Tools und KI-Strategien unterstützen Lernprozesse und entlasten Pädagogen. Unser Ziel: Chancengerechtigkeit von Anfang an – und Freude in der Schule! 

Wien ist international vor allem als Kulturmetropole mit ausgezeichneter Lebensqualität bekannt. Wie können wir es Ihrer Meinung nach noch besser schaffen, auch Bekanntheit als Technologiemetropole von Weltrang zu erlangen?  

Wien ist eine Kulturhauptstadt – aber wir wollen auch als KI-Hauptstadt Europas sichtbar werden. Deshalb bewerben wir uns für die AI-Gigafactory, ein europäisches Zentrum für sichere und verantwortungsvolle künstliche Intelligenz. Im ehemaligen Stellantis-Werk in der Seestadt entsteht Wiens digitales Zukunftsviertel – mit Forschung, Startups und städtischer Lebensqualität an einem Ort. Wir setzen einen starken Schwerpunkt auf die Digitalisierung, z.B. im Gesundheitssystem mit der Plattform „Wien Gesund“, die einen einfachen Weg durch das Gesundheitssystem bietet. Gleichzeitig bleibt Wien Bühne für Vielfalt: Wir bewerben uns auch für den Eurovision Song Contest 2026. So zeigen wir: Innovation und Kultur sind bei uns kein Widerspruch, sondern ein starkes Duo. Unser Ziel: Wien bleibt lebenswert – und wird zur digitalen Hauptstadt Europas ausgebaut. 

Was könnte Wien tun, um die qualifizierte Zuwanderung zu steigern? 

Wien ist und bleibt eine europäische Zuwanderungsstadt. Damit Fachkräfte rasch Fuß fassen, bauen wir das Business Immigration Office zum Science Hub aus. Gleichzeitig treiben wir die Digitalisierung und Servicequalität der MA 35 voran – mit mehrsprachigen Angeboten, Online-Terminverfolgung und einer neuen Außenstelle. Ein digitales Zuwanderungsportal bündelt künftig alle Infos auf einen Blick. Sprache bleibt der Schlüssel: Deshalb stärken wir Deutschförderung für Erwachsene, Eltern und Jugendliche – auch mit Projekten wie „StartWien College“ oder „Mama lernt Deutsch“. Mit Role Models und dem Integrationskodex setzen wir auf klare Werte und gelungene Vorbilder. Auf Bundesebene fordern wir: schnellere Nostrifizierungen, eine Residenzpflicht für Schutzsuchende und transparente Daten für bessere Planbarkeit. Wer zu uns kommt, soll Chancen haben – und Verantwortung übernehmen. 

Sie verantworten in der Stadt auch wieder das Thema Transparenz. Welche Maßnahmen können sich die Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger in diesem Bereich erwarten? 

Transparenz ist für mich ein zentrales Fundament moderner Verwaltung – Bürger und Unternehmen sollen nachvollziehen können, wie Politik funktioniert und wie Entscheidungen zustande kommen. Deshalb setzen wir auf einen umfassenden Transparenzansatz: Wir stärken die Rolle des Compliance Officers im Wiener Gemeinderat, modernisieren die Whistleblower-Plattform der Stadt und entwickeln klare Standards für die Veröffentlichung von Informationen im öffentlichen Interesse. Auch die Klubförderungen werden künftig unabhängig geprüft und öffentlich nachvollziehbar gemacht. Zudem treiben wir die einheitliche Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes aktiv voran – begleitet von einem neuen Transparenzbeirat und digitalen Lösungen wie der Neuaufstellung von „Infodat“. Mein Ziel ist eine Stadtverwaltung, die nicht nur effizient, sondern auch offen, verständlich und vertrauenswürdig agiert. Nur so entsteht echtes Vertrauen in die Demokratie.

Foto: Stadt Wien, Bohmann

Vizebürgermeister Bettina Emmerling, NEOS


Bettina Emmerling wurde 1980 in Wolfsberg geboren. Nach der Matura schloss sie 2005 das Studium der Umweltsystemwissen-schaften an der Universität Graz ab und besuchte danach zwei Jahre den postgradualen Lehrgang „Management und Umwelt“ in St. Pölten. Von 2005 bis 2020 war sie Projektleiterin für Verkehr und Mobilität bei der Österreichischen Energieagentur. Die politische Karriere der zweifachen Mutter begann 2014 mit ihrem Engagement bei den NEOS. Nach der Landtags- und Gemeinderatswahl 2015 wurde sie als Landtagsabgeordnete bzw. Gemeinderätin angelobt und wurde stellvertretende Klubvorsitzende und Frauensprecherin, Verkehrssprecherin, Umweltsprecherin, Tierschutzsprecherin und Landwirtschaftssprecherin des NEOS-Klubs. Nach dem Wechsel von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr in die Bundesregierung Stocker im März des laufenden Jahres folgte ihm Emmerling als Bildungsstadträtin und Vizebürgermeisterin in Landesregierung und Stadtsenat nach. Nach den heurigen Wahlen in Wien wurde sie Anfang Juni als Vizebürgermeisterin und amtsführende Stadträtin für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz wiedergewählt.