„Gerade in Zeiten der Unsicherheit ist es die Aufgabe der Politik, Sicherheit zu geben.“

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Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Bundeskanzler Karl Nehammer sprach mit den iv-positionen über aktuelle politische Themen.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, die Politik steht angesichts der zahlreichen Krise – vom Russland/Ukraine-Krieg über die Coronapandemie bis hin zur Klimaveränderung – vor großen Herausforderungen. Insbesondere die hohe Inflation und die steigenden Energiepreise halten Verbraucher und Wirtschaft in Atem. Die Bundesregierung hat aus diesem Anlass kürzlich ein Anti-Teuerungspaket auf den Weg gebracht. Was sind die Kernpunkte für die Wirtschaft? Bedarf es Ihrer Meinung nach noch weiterer Maßnahmen oder ist das Problem der massiven Teuerung damit ausreichend gelöst?

Gerade in Zeiten der Unsicherheit ist es die Aufgabe der Politik, Sicherheit zu geben. Nichts belastet die Menschen und die Unternehmen in unserem Land derzeit so stark wie die Teuerung. Diese Probleme haben wir erkannt und tun alles, um die Folgen der steigenden Inflation bestmöglich zu mildern. Wir haben neben der ökosozialen Steuerreform mit einem Volumen von rund 18 Mrd. Euro sowie zwei Anti-Teuerungspaketen am Anfang des Jahres in Höhe von insgesamt vier Mrd. Euro nun ein weiteres Entlastungspaket präsentiert. Damit entlasten wir Menschen und Wirtschaft noch einmal um 28 Mrd. Euro. Insbesondere für die Wirtschaft gibt es ein starkes Paket an Soforthilfen. Das beinhaltet eine Strompreis-kompensation für 2022, 3.000 Euro Steuer- und Abgabenfreibetrag für Mitarbeiter-prämien sowie einen Direktzuschuss für energieintensive Unternehmen. So schnell und so umfangreich wie Österreich hat kein anderes Land in Europa auf die Teuerung reagiert. Die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, werden in den kommenden Monaten ihre Wirkung entfalten und dann werden wir evaluieren, ob es weitere Schritte braucht.

Mit der angekündigten Abschaffung der kalten Progression wurde nun auch eine wichtige strukturelle Reform in Angriff genommen. Gibt es seitens der Bundesregierung Pläne, in naher Zukunft weitere strukturelle Veränderungen – wie beispielsweise eine dringend notwendige Pensionsreform – vorzunehmen?

Die Abschaffung der kalten Progression ist wirklich ein historischer Schritt. Seit Jahrzehnten wird sie von Experten gefordert und von der Politik angekündigt – und diese Regierung setzt sie nun endlich um. Das ist nicht die einzige strukturelle Maßnahme, die wir mit diesem Paket in Angriff nehmen. Zukünftig werden auch Sozialleistungen an die Inflation angepasst. Aber auch die Wirtschaft profitiert enorm: Für Unternehmen senken wir beispielsweise die Lohnnebenkosten um insgesamt 450 Mio. Euro bis 2026. Zu den Pensionen: Klar ist, dass immer wieder Anpassungen notwendig sind, wir brauchen aber keine grundlegende Neuausrichtung unseres Pensionssystems. Stattdessen wollen wir Lücken schließen und Nachhaltigkeit sicherstellen. Das gelingt uns, indem wir neben einer hohen Beschäftigung auch Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheit im Erwerbsleben setzen. Denn das ist das beste und effektivste Mittel, um das tatsächliche Pensionsalter an das gesetzliche heranzuführen und so auch die Finanzierung des Pensionssystems zu stärken.

Angesichts der europaweit hohen Inflation braucht es neben einzelstaatlichen Maßnahmen auch eine europäische Strategie. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle der Europäischen Zentralbank? Machen die hohen Schulden einiger europäischer Länder große Zinsschritte unmöglich?

Die Inflation ist eine Entwicklung, die über Österreich, aber auch über Europa hinaus Menschen und Wirtschaft belastet. Die Europäische Zentralbank nimmt in der Frage, wie wir gegen sie ankämpfen, natürlich eine wichtige Rolle ein. Diese Institution ist aus gutem Grund unabhängig und ich habe Vertrauen in sie. Als Nationalstaat können wir die Ursachen nur schwer bis gar nicht bekämpfen. Was wir aber tun können – und das tun wir auch bereits seit Anfang des Jahres – ist, die Auswirkungen der Inflation auf private Haushalte und Unternehmen bestmöglich abzufedern, indem wir sie entlasten und ihnen unter die Arme greifen.

Die Industrie steht vor der gewaltigen Herausforderung der digitalen und grünen Transformation, die ohne eine Offensive in Forschung und Technologieentwicklung nicht erfolgreich gemeistert werden kann. Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung für die Stärkung des Innovationsstandorts Österreich?

Unsere Wirtschaft und unsere Arbeitswelt verändern sich – in Österreich, in Europa und auf der ganzen Welt. Österreich ist hier dank seiner starken, diversifizierten und exportorientierten Wirtschaft in einer guten Position. Unsere Betriebe haben unglaubliches Potential.
Als Bundesregierung wollen wir ermöglichen, dass dieses Potential genutzt werden kann, indem wir die besten Rahmenbedingungen
dafür schaffen. Dabei geht es zum Beispiel um Rechtssicherheit für Investitionen – Stichwort UVP-Verfahren – und vor allem auch um das Vorhandensein von Fachkräften. Hier haben wir beispielsweise mit der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte oder der Gründung einer neuen Technischen Universität in Linz bereits wichtige Schritte gesetzt.

Sie haben den Gästen des IV-Wien Sommerfestes am 2. Juni eine spannende Keynote zu aktuellen politischen Themen gegeben. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Takeaways der Veranstaltung und welche Bedeutung hat der Dialog mit der österreichischen Industrie für Sie?

Es hat mich unglaublich gefreut, zu Gastvbeim Sommerfest der Wiener Industriellenvereinigung zu sein. Solche Veranstaltungen
sind für mich immer ein Ort zum Krafttanken. Ich betone oft, dass ich ein Lernender bin – so lerne ich auch, wenn ich bei Veranstal-tungen wie dieser mit den Teilnehmenden spreche. Politik lebt meiner Ansicht nach vom Dialog untereinander, denn beim Reden kommen die Leute zusammen. Meine wichtigsten Takeaways sind also einerseits ganz klar der Austausch mit IV-Wien Präsident Christian Pochtler, aber auch die vielen Gespräche mit den Gästen vor Ort.