Kontakt
Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien
Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien
Zu Beginn der Sitzung führte Präsident Christian C. Pochtler aus, welche Aufgaben die neue Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos nun prioritär bewältigen müsse: „Die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit ist genauso alternativlos wie eine ausgabenseitige Budgetsanierung.“ Österreich stecke nach wie vor in der hartnäckigsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Angesichts dessen sei es erschreckend, sagte Pochtler, dass „das alte Klein-klein des typisch österreichischen Parteien-Hickhacks noch immer das Wichtigste für die Politik zu sein“ scheine. Es müsse jetzt rasch zu einem konstruktiven Abarbeiten der wichtigsten Aufgaben kommen, forderte der Präsident.
In der EU gebe es erste „erfreuliche Signale“: Man müsse zwar noch auf die konkreten Detailvorschläge warten, aber „das klare Bekenntnis der neuen Kommission zu Deregulierung und Bürokratieabbau“ sei jedenfalls zu begrüßen. Dies sei angesichts der Schwerpunkte der aktuellen US-Administration von ganz besonderer Bedeutung, da Europa rasch eigenständiger und wettbewerbsfähiger werden müsse. Ein Handelskrieg mit den USA drohe. Dass man es vor Jahren verabsäumt habe, das Handelsabkommen TTIP mit den USA abzuschließen, sei im Rückblick „ein böses Eigentor“ gewesen, betonte der Präsident.
Anlässlich der Wien-Wahlen im April hatte die IV-Wien Spitzenrepräsentanten der fünf größten wahlwerbenden Parteien eingeladen. Aus terminlichen Gründen musste Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr bereits im Vorfeld absagen, bedauerlicherweise fiel auch Stadtrat Peter Hanke aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig aus.
Als ersten Gast konnte Präsident Pochtler den Landesparteiobmann der FPÖ, Stadtrat Dominik Nepp, in der Sitzung begrüßen. Nepp ist seit 2021 Obmann der Wiener Freiheitlichen. Er kommt aus einer Unternehmerfamilie, weswegen ihm die Wirtschaftsaffinität „sozusagen in die Wiege gelegt wurde“, wie Pochtler anmerkte. Nepp kritisierte in seinen Ausführungen vor allem den „Rekordschuldenstand“, den die Stadt Wien mittlerweile erreicht habe. Zudem wird laut dem FPÖ-Stadtrat zu wenig für die Wirtschaft und Leistungsträger getan: Wichtige Wirtschaftsförderungen seien gestrichen worden und es brauche mehr Unterstützung für alle, „die etwas leisten wollen“. Nepp betonte beim Thema Zuwanderung, dass man zwar Fachkräfte aus dem Ausland brauche, aber sich aussuchen müsse können, „wer nach Österreich kommt“.
Auch die Spitzenkandidatin der Grünen, Stadträtin Judith Pühringer, betonte in ihrem Statement die Wichtigkeit, die Wirtschaft in Wien zu stärken – „im Einklang mit Ökologie und Nachhaltigkeit“. Pühringer ist 2020 als Quereinsteigerin in die Politik gewechselt und führt die Wiener Grünen seit Oktober 2021 gemeinsam mit Peter Kraus. Wichtig sei ihr in Wien besonders auch eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Beim Thema Zuwanderung betonte sie vor allem den Bereich der Integration: Es müsse rascher gelingen, Menschen aus Drittstaaten in den Arbeitsmarkt zu bekommen.
ÖVP-Landesparteiobmann und Stadtrat Karl Mahrer stellte sich als letzter Spitzenkandidat den Fragen der Vorstandsmitglieder. Mahrer hatte sich vor allem ab 2009 als Landespolizeikommandant für Wien einen Namen gemacht, der Volkspartei in Wien steht er seit dem Jahr 2021 vor. Auch er betonte die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen für jene zu verbessern, „die sich etwas aufbauen wollen“. Zudem müssten UVP-Verfahren beschleunigt, bürokratische Hürden abgebaut und ausreichend Betriebsflächen für Ansiedelungen in Wien gesichert werden. Massive Herausforderungen sieht Mahrer im Bildungsbereich: Zu viele Kinder hätten Defizite bei den Deutschkenntnissen.
Zum Abschluss der Sitzung referierte Politikexperte Thomas Hofer über den Zustand der Parteien auf Bundesebene – bezeichnenderweise lautete der Titel seiner Präsentation „Das letzte Aufgebot“. Damit meine er nicht nur die Führungsebenen der Parteien; ganz allgemein gäbe es Schwierigkeiten, Personen zu finden, die das politische Handwerk verstehen. ÖVP und SPÖ seien eigentlich dazu verdammt, nun miteinander etwas zusammenzubekommen, und das trotz der doch erheblichen inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden Parteien. Das reine „Verhindern von Herbert Kickl“ als Gemeinsamkeit sei zu wenig, Hofer verlieh daher seiner Befürchtung Ausdruck, dass „faule Kompromisse“ das Leitthema der neuen Bundesregierung werden könnten.