Lobautunnel-Stopp schadet Wien!

Klimaministerin Leonore Gewessler kündigte Anfang Dezember an, den über 150 Monate hinweg geprüften S1-Lückenschluss nicht in der geplanten Form umsetzen zu wollen. Ein Desaster für die Rechtssicherheit und den Wirtschaftsstandort Wien.

Dass der rechtskräftig genehmigte Lobautunnel nach jahrelangen behördlichen und gerichtlichen Verfahren nun durch einen politischen Federstrich abgedreht werden soll, sei völlig inakzeptabel, so IV-Wien-Präsident Christian C. Pochtler. Für den S1-Nordabschnitt, der sich nun gewissermaßen in einem „Schwebezustand“ befindet, erwartet sich die IV-Wien eine rasche Lösung, die den Bedürfnissen der Großstadt Wien gerecht wird. Dabei ist allerdings völlig unklar, wie eine solche Lösung ohne Lobautunnel überhaupt sinnvoll aussehen könnte.

Der volkswirtschaftliche Schaden für die Nichtrealisierung des Tunnels wird jedenfalls auf mehrere Milliarden Euro taxiert, 23.000 neue Arbeitsplätze gehen dadurch möglicherweise verloren. Die ökonomischen Folgewirkungen könnten durch den angerichteten Vertrauensverlust sogar noch wesentlich gravierender ausfallen.

Der einzige Lichtblick der präsentierten Entscheidung ist laut Präsident Pochtler, dass die Realisierung der „Spange Seestadt Aspern“ bestätigt wurde, wenngleich dadurch ohne Donauquerung maximal eine Anbindung an die Südosttangente erreicht werden könnte – wohl nicht einmal eine halbe Lösung.

Der Regionenring bleibt so jedenfalls lückenhaft. Der Verkehrsinfarkt entlang der Südosttangente und in der verkehrsgeplagten Donaustadt wird dadurch weiter verschärft, das Ansehen des Wirtschaftsstandorts Wien nimmt massiv Schaden. Pochtler: „Für die Unternehmen in Wien ist eine gute Verkehrsanbindung für Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden ein wesentlicher Standortfaktor. Materialien und Produkte der allermeisten Unternehmen lassen sich nicht mit dem Lastenfahrrad anliefern; auch passen die Öffi-Fahrpläne nicht immer zu unseren Schichtplänen. Wenn wir Arbeitsplätze und Wohlstand in der Stadt sichern wollen, brauchen wir schlicht und ergreifend ein gut ausgebautes Straßennetz. Ideologisches Wunschdenken bringt uns da keinen Zentimeter weiter.“


DIE CHRONOLOGIE DES LOBAUTUNNELS

• Jänner 2003 – Eine „strategische Umweltprüfung“ legt für eine sechste Donauquerung einen Lobautunnel nahe. Unterquert werden soll die Lobau an der schmalsten Stelle.

• April 2005 – Die ASFINAG präsentiert ihre Pläne, die der aktuellen Streckenführung ähneln. Das Projekt soll bis 2014 fertig sein.

• Februar 2009 – Die ASFINAG reicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ein.

• März 2015 – Die UVP wird positiv abgeschlossen. Der Bau des ersten Abschnitts Groß-Enzersdorf bis Süßenbrunn – noch ohne Tunnel – soll 2016 beginnen. Umweltschützer legen Beschwerde ein. 

• November 2015 – Die rot-grüne Stadtregierung einigt sich auf eine sechste Donauquerung. Alternative Planungsvarianten werden geprüft. 

• Mai 2018 – Das Bundesverwaltungsgericht gibt unter Auflagen grünes Licht. 

• Juli 2021 – Laut ASFINAG liegen positive Bescheide nach Wiener und niederösterreichischem Naturschutzgesetz vor. Wasserrechtsverfahren laufen. Ein Baustart ist offen. Die Gesamtkosten werden mit 1,9 Milliarden Euro angegeben.

 • Dezember 2021 – Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagt den Bau des Tunnels ab. 

Foto: ASFINAG
Foto: Asfinag-S1-Visualisierung