Licht am Ende des Corona-Tunnels: Spotlight auf unsere strukturellen Schwachstellen

Am 11. März 2020 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO das Covid-19-Virus zur Pandemie erklärt. 14 Monate später nimmt die Impfstrategie der Regierung, nach einer langen Durststrecke, endlich an Fahrt auf und der dringend herbeigesehnte Konjunkturaufschwung scheint zum Greifen nah. Zeit, unseren Blick auf notwendige Veränderungen zu richten: Für eine nachhaltig positive Entwicklung bedarf es eines umfassenden Strukturwandels mit grundlegenden Veränderungen und Impulsen, damit Österreich und auch Europa in den kommenden Monaten im globalen Vergleich wieder wettbewerbsfähiger werden.

Der Blick über den Tellerrand der Europäischen Union zeigt zudem, dass wir ohne erhebliche Anstrengungen zurückfallen werden: Das für 2021 prognostizierte globale Realwachstum von sechs Prozent geht zu jeweils einem Viertel auf die USA und China zurück, wohingegen die EU lediglich 13 Prozent beisteuert. Um im globalen Vergleich nicht noch weiter abgehängt zu werden, müssen die Risse im ökonomischen Fundament also schnellstmöglich angegangen werden – und das besser heute als morgen.

Eine Bestandsaufnahme für den Corona-gebeutelten Wirtschaftsstandort Österreich fällt aktuell mitunter kritisch aus, da sich unser Land in einigen wichtigen Bereichen nur bedingt zukunftsfit präsentiert. Im European Innovation Scoreboard der EU-Kommission etwa belegen wir lediglich Platz 8 und befinden uns somit im Vergleich zu Ländern wie Schweden, Finnland oder Dänemark nicht in der Gruppe der „Innovation Leaders“. Innovation ist aber jener Treibstoff der Zukunft, der den Wachstumsmotor nachhaltig befeuern wird.

Dabei liegt es nicht allein an den Ausgaben, schließlich sind wir mit 3,2% des Bruttoinlandsprodukts bereits jetzt im EU-Spitzenfeld. Eine Vielzahl von hemmenden Faktoren spielen eine Rolle: der weiterhin massive Fachkräftemangel – insbesondere im technischen Bereich – sowie das Fehlen von Mitarbeitern mit wichtigen Zukunftskompetenzen wie Data Analytics, Advanced Coding oder Environmental Science sind nur die Spitze des Eisbergs. Neben der bereits gestarteten Bildungs- und Ausbildungsoffensive bedarf es daher rascher Maßnahmen für eine proaktive, kriteriengeleitete Zuwanderung entlang klarer Qualifikationsanforderungen.

Auch in puncto Digitalisierung hinken wir im europaweiten Vergleich hinterher: Rang 13 im Digital Economy and Society Index (DESI) der EU-Kommission unterstreicht einmal mehr, dass wir die Digitalisierungslücke zu langsam schließen. Neben der vielerorts fehlenden digitalen Infrastruktur und Ausstattung, beispielsweise in unseren Schulen oder etwa auch in der Bewältigung der Corona-Pandemie, geht es vor allem um die Stärkung der digitalen Kompetenzen, und dies in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft, Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung.

Auch hier lohnt sich ein Blick in den Norden Europas: Die Digitalisierung hat beispielsweise in Estland ein ähnliches Identifikationspotenzial wie Mozart für Österreich. In Zahlen bedeutet das: Da sämtliche Dienstleistungen des Landes auch digital angeboten werden, spart sich der Staatshaushalt Kosten in Höhe von rund zwei Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts.

Eine weitere Herausforderung stellt die geringe Eigenkapitalausstattung der Unternehmen hierzulande dar: Mittlerweile weist jedes fünfte Unternehmen ein negatives Eigenkapital auf und ist damit massiv in seiner Investitions- und damit Zukunftsfähigkeit beschränkt. Eine grundlegende Stärkung der Eigenkapitalausstattung heimischer Unternehmen ist daher unabdingbar. Dafür braucht es neben dringend notwendiger Entlastungen aber auch eine Änderung des öffentlichen Diskurses: Statt ausufernder Verteilungsdebatten oder Diskussionen über neue Quellen für weitere mögliche Staatseinnahmen sollten vielmehr die hohen Staatsausgaben genau unter die Lupe genommen und einer kritischen Effizienzüberprüfung unterzogen werden.

Ohne eine Beschleunigung unseres Wachstums durch strategische Investitionen und Impulse mit hoher Multiplikatorwirkung werden wir aus dieser epochalen Krise nicht gestärkt herauskommen. Wir haben es selber in der Hand.

Ihr Christian C. Pochtler

 

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