Zeitenwende

Klima-Krise, COVID-Krise und nun Krieg: Wir kommen aus den Katastrophen nicht mehr heraus –gleichzeitig ermöglicht dieser Schock offensichtlich bis dato Undenkbares.

Die Klima-Krise ist und bleibt chronisch, Corona beschäftigt uns schon deutlich länger, als wir gehofft hatten. Und jetzt obendrauf
Krieg mitten in Europa. Wir dachten, Bilder, wie wir sie derzeit im Fernsehen sehen müssen, gehören der Vergangenheit an. Wir haben
uns getäuscht, täuschen lassen.

Die Welt steht am Scheidepunkt, international bemühen aktuell alle maßgeblichen Politiker die Phrase des „watershed moments“. Dabei kann noch niemand abschätzen, welche Ausmaße die menschliche Katastrophe in der Ukraine noch annehmen und welche internationalen Auswirkungen dieser Konflikt noch haben wird. 

Klar ist, dass sich etwas Entscheidendes geändert hat in der Welt. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Macht der Bilder, der Erzählungen. Auf der einen Seite die militärische Supermacht, waffenstarrend, aber weitgehend schweigend, auf der anderen Seite die Ukraine, die ihren Widerstand, vom Präsidenten abwärts, in die Weltöffentlichkeit trägt, Stunde für Stunde. Die mediale Deutungshoheit hat der
Präsident der Ukraine mühelos für sich gewonnen. Und das zeigt Folgen: Selten war sich die internationale Gemeinschaftvoder auch nur Europa so einig in ihrem Handeln wie derzeit. Plötzlich fallen Entscheidungen so rasch wie nie, werden Dinge umgesetzt, die früher
noch tabu waren. Wir stehen vor einer Reihe an Paradigmenwechseln, – ob in der Sicherheits- und Außenpolitik, der Energiepolitik
oder der Flüchtlingspolitik – die Europa nachhaltig verändern werden. Der Schock durch diesen Konflikt hat offenbar zahlreiche Bremsen für Veränderungen gelöst. 

Bei all dem dürfen wir die langfristige Perspektive nicht aus den Augen lassen, wir müssen auch an das „danach“ denken - wann immer das sein mag. Es muss unumstritten bleiben, dass wir in Europa nur gemeinsam eine gute Zukunft haben können. Ukraine und Russland sind beides unsere Nachbarn – unser Ziel muss es unbedingt bleiben, dass wir für gemeinsame Prosperität auf diesem Kontinent sorgen.

Auch hier und jetzt sollten wir langfristig denken: Schutzsuchende in dieser Situation aufzunehmen ist unsere Pflicht - wir sollten aber auch deutliche Zeichen dafür setzen, dass wir bereit sind, diesen Menschen, wenn sie es wollen, hier in Österreich langfristige Perspektiven, echte Zukunftschancen zu bieten. Langfristiges, faktenbasiertes, nachhaltiges Denken. Ist es zu akzeptieren, dass
konkretes Handeln, dass notwendige Veränderung, scheinbar nur im Angesicht von Krisen und Katastrophen möglich sind? Darüber sollten wir uns grundsätzlich Gedanken machen. „Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist“ – diese Erkenntnis
aus dem Roman „Il Gattopardo“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa bezieht sich auf Geschehnisse des 19. Jahrhunderts.
Haben wir seitdem nichts gelernt? Als Unternehmer wissen wir: Wenn sich ein Unternehmen nicht immer wieder neu erfindet, wird es nicht bestehen. Dies gilt auch für unsere Gesellschaften, unsere Staaten. Darüber müssen wir dringend und ehrlich diskutieren.


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