Wer macht morgen die Arbeit?

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Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Der demografische Wandel führt dazu, dass in den nächsten zehn Jahren in Österreich 540.000 Beschäftigte fehlen. Im Rahmen eines Themenfrühstücks im Haus der Industrie wurden mögliche Lösungsansätze zur Bewältigung dieser Herausforderung diskutiert.

18.3.2025

Die IV-Wien-Vizepräsidentin Ursula Simacek, CEO und Miteigentümerin der SIMACEK Holding GmbH, betonte in ihrer Begrüßung, wie wichtig in Österreich echte Reformen seien: „Es ist wie mit einer Kur: Auch wenn man weiß, dass es einem gut tut, muss man sich zuerst einmal überwinden. Aber nach einiger Zeit merkt man dann die positiven Folgen.“ Auch der Standort Österreich habe gewissermaßen eine Kur notwendig, so Simacek, denn „derzeit bekämpfen wir immer nur die Symptome“. Man müsse vielmehr in die Strukturen eingreifen, ansonsten sei das Land weder zukunftsfit noch wettbewerbsfähig. Beim Thema Fachkräfte gebe es zwar einige Initiativen, sowohl auf Bundes- als auch Landesebene, aber: „Was fehlt ist eine abgestimmte Gesamtstrategie“, so die Unternehmerin. 

In seinem folgenden Impuls unterstrich der Chefökonom der IV, Christian Helmenstein, wie „extrem positiv“ er den Titel „Wer macht morgen die Arbeit?“ finde, denn „vor einigen Jahren haben viele vor der drohenden Massenarbeitslosigkeit durch Digitalisierung und Robotisierung gesprochen, das ist aber ausgeblieben.“ Frühere industrielle Revolutionen hätten sozusagen die Muskelraft der Menschen verstärkt, jetzt werde der menschliche Geist als Instrument gestärkt. Zwar würden manche Jobs natürlich verschwinden – es entstünden aber eben auch zahlreiche neue Jobs in völlig neuen Bereichen, das gleiche sich zum Großteil aus. Problematischer sei, so Helmenstein, ein anderes Spannungsfeld: Freizeit versus Arbeitszeit. Die Zahl der Erwerbstätigen steige, die Zahl der geleisteten Stunden hingegen sinke. Diese „Teilzeitepidemie“ hätte Österreich bereits fünf Prozentpunkte an Wirtschaftsleistung gekostet. „In diesem Ausmaß ist das nur in Österreich so extrem“, stellte Helmenstein fest. Das liege an den falschen Anreizen, etwa in unserem Steuer-  und Sozialsystem. Ein „positiver Gamechanger“ könne künstliche Intelligenz sein: Berechnungen zufolge wären bis 18 Prozent zusätzliche Wertschöpfung durch den Einsatz von KI in Österreich realisierbar.

 „Haben ein riesiges Bildungsthema“

In der anschließenden Podiumsdiskussion hob Petra Draxl, Vorstandsmitglied des AMS Österreich, hervor, dass man in Österreich weiter einen Fachkräftemangel habe, ein großer Teil der derzeitigen Arbeitslosen verfüge jedoch nur über geringe Bildungsabschlüsse, „wir haben also ein riesiges Bildungsthema“, so Draxl. Langfristig finde sie es zudem problematisch, dass „wir uns viel zu wenig mit der Demographie beschäftigen“, dies werde vor allem Regionen, wie etwa Kärnten oder das Burgenland, massiv betreffen. Um die Teilzeit einzudämmen brauche es sicher Reformen, etwa im Steuerbereich, aber auch die notwendige Infrastruktur, etwa beim Thema Kinderbetreuung. Auch Andreas Matthä, CEO der Österreichische Bundesbahnen (ÖBB), betonte die Bedeutung von Bildung – denn immerhin erhöhe die fortschreitende Digitalisierung eben auch den Bildungsdruck. Die ÖBB wachsen derzeit stark und suchen jährlich zwischen vier- bis fünftausend neue Mitarbeiter. Für die Bahn sei die Lehrlingsausbildung zentral, so Matthä: „Ohne die gäbe es uns nicht“, hier brauche es mehr Anreize.

In seinem Statement ging der Eigentümer und CEO der Humanocare Group, Julian Hadschieff, ebenfalls auf das Thema Demographie ein, aber aus Sicht der Pflege: Man unterschätze nach wie vor den „massiven Bedarf“ an zusätzlichen Pflegekräften aufgrund des demographischen Wandels. Roboter könnten hier auch in den nächsten Jahren nur bedingt Aufgaben übernehmen. Die Entwicklungen rund um KI seien allerdings tatsächlich ein „extrem großer Vorteil“ für Menschen mit Behinderung. Hadschieff bezifferte die Lücke bei Pflegekräften in den kommenden Jahren mit rund 70.000 Personen: „Wir müssen uns als Land auch einmal eingestehen: Wir brauchen Leute aus dem Ausland!“ Abschließend kehrte Ursula Simacek wieder zum Thema Bildung zurück: Die Simacek-Gruppe beschäftigt 11.000 Menschen in sechs Ländern. Darunter gebe es auch viele nicht gelernte Arbeitskräfte, hier leiste man dadurch auch einen wichtigen Beitrag zur Integration: „Die Unternehmen müssen den Leuten die Basics beibringen: Wie grüßt man, wie geht man miteinander um…“ Dies sei eine zusätzliche Belastung für Unternehmen, zudem „konkurrieren wir mit dem Sozialsystem“, so Simacek. Es dürfe eben nicht attraktiver sein, von Sozialleistungen plus geringfügiger Beschäftigung und etwas Schwarzarbeit zu leben, als sich in einer korrekten Anstellung zu befinden.