Stoppt das Verwalten, lasst uns gestalten!

Derzeit wird viel über die Zukunft debattiert. Was sein wird, kann niemand wissen – die Politik tut aber oft so, als könnte sie bestimmen, was sein muss und kann. Das sprichwörtliche Pferd wird von der falschen Seite aufgezäumt, anstatt jene Freiräume zuzulassen, die Innovation ermöglichen.

Wir leben in erstaunlichen Zeiten – und nein, ich meine jetzt nicht die vielen Krisen, die uns so sehr beschäftigen. Sprechen wir einmal abseits der Multikrise über das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten im Bereich Innovation passiert ist und weiter passiert: Denken Sie nur daran, dass etwa das iPhone erst im Jahr 2007 vorgestellt wurde – und wie sehr diese Erfindung einen ganzen Markt und letztlich unsere Gesellschaft umgekrempelt hat. In allen Bereichen schreiten Wissen-schaft und Technik unaufhaltsam voran: In der Softwarebranche erleben wir gerade die nächste Revolution im Bereich der künstlichen Intelligenz, bessere Lösungen bei Big Data beschleunigen die technische Innovation in vielen anderen Feldern; in der Medizin sind viele Programme in der Diagnostik bereits präziser als der Mensch, roboterunterstützte Operationen machen Eingriffe möglich, von denen noch vor ein paar Jahren niemand zu träumen gewagt hätte.


Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie schnell wir sein können, wenn wir müssen: Impfungen, binnen Monaten entwickelt, getestet und massenhaft hergestellt, beruhend auf einer völlig neuen Technologie – einer Technologie, mit der es in Zukunft selbst einer der größten Gei-ßeln des menschlichen Daseins an den Kragen gehen könnte: der Krankheit Krebs. Erstaun-lich! Und getrieben, wie so oft, durch erfinderische, unternehmerisch denkende Menschen. Es gibt so viele exzellente Köpfe auf dieser Welt, die tagein, tagaus an den nächsten bahn-brechenden Innovationen forschen und arbei-ten. Lassen wir diese Leute doch bitte einmal ihre Arbeit tun – denn keiner von uns kann wis-sen, was alles möglich ist und sein wird.


Damit aber zu einem weniger erfreulichen Thema, nämlich unserem tatsächlichen Umgang mit der Zukunft. Wir stehen vor großen Herausforderungen, das ist unbestritten. Allein der Klimawandel und die erforderliche Transformation unserer Energieversorgung sind bereits Mammutaufgabe genug. Die Politik hat aber bisher nur einen Lösungsansatz: Es wird gleichsam per Edikt von oben festgelegt, wie unsere Welt in zehn oder 15 Jahren auszusehen hat. Zumeist Verbote, ideologisch motiviert, sollen Wirtschaft und Technik in die erwünschte Richtung lenken.


Wer aber mit offenen Augen durch diese Welt geht, sollte erkennen, dass unsere Zeit vieles ist, aber sicher nicht eindimensional. Selten war so viel Komplexität wie heute. Gerade im Wettbewerb um die besten Lösungen für die Transfor-mation unseres Energiesystems tun sich unzählige mögliche, vielfach bereits skalierbare Wege auf. Welche letztendlich zum Erfolg führen werden – wer weiß das schon? Am wahrscheinlichs-ten ist, dass es eine Vielzahl von Innovationen sein wird, die im gegenseitigen Wechselspiel die erforderlichen Lösungen bringen werden. An die Politik gerichtet kann der Rat daher nur lauten: Legt die ideologischen Scheuklappen ab, lasst die Denkverbote! Ein klarer regulatorischer Rahmen ist wichtig, aber ansonsten braucht es vor allem Freiheit und Incentives, damit sich Unternehmertum entfalten kann. Schon jetzt wäre viel mehr möglich, als wir denken, als wir oft in unserer kleinen Welt politischer Skandale und Skandälchen wahrnehmen wollen oder können.


Ein Beispiel gefällig? In einem aktuellen Interview wies Gunter Erfurt, CEO der Meyer Burger Technology AG, darauf hin, wie zukunftsreich er den Markt für Photovoltaikanlagen in Europa bewertet. Europa solle hier unbedingt Produktionen wieder auf den Kontinent zurückholen – die Folge wären Chancen für uns als Standort, Arbeitsplätze und Wertschöpfung sowie ein Plus an Energieautarkie, was wiederum auch unsere allgemeine sicherheitspolitische Unabhängigkeit stärken würde. Wichtig seien dabei die richtigen Rahmenbedingungen. Um diese Industrie als Investition in die Zukunft in Europa wieder aufzubauen, brauche es rund elf bis 15 Milliarden Euro, so Erfurts Schätzung. Klingt viel? Bedenken Sie, dass die EU-Staaten seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine allein rund 150 Milliarden Euro an Russland für Öl und Gas überwiesen haben! Und jetzt lassen Sie diese Zahlen einmal sickern.


Politik hat ihre eigenen Regeln, und diese Spielregeln haben oft weniger mit der Realität zu tun als mit dem ideologisch geprägten Bild einer „idealen Welt“. Viele aktuelle Herausforderungen sind aber zu wichtig, zu existenziell für unser aller Zukunft, als dass sie der Spielball von endlosem Parteien-Hickhack sein dürfen. Denn zielführend ist das nicht. Die Politik sollte anerkennen, dass es Bereiche gibt, wo sie nicht vorgeben kann (und soll!), was am Ende des Tages das Ergebnis ist. In Europa sollten wir vielmehr Freiräume schaffen, die es wagemutigen Unternehmern gemeinsam mit der innovativen Wissenschaft ermöglichen, zu experimentieren, immer neue Wege auszuprobieren. Manche Wege werden ins Leere gehen, aber Scheitern ist ein natürlicher Teil des Strebens nach Erfolg – Unternehmer wissen das genauso wie Wissenschaftler. Das Experimentieren ist im Grunde nichts anderes, als mittels immer wiederkehrender Versuchsanordnungen viele Wege aus-zuprobieren. Nur einer mag ans Ziel führen, dennoch ist das Ausprobieren all dieser Pfade existenzieller Bestandteil dieses Prozesses. Kein Wissenschaftler würde akzeptieren, dass man ihm vorschreibt, wo und wie sein Experiment zu enden hat.


Wir brauchen die richtigen Rahmenbedingungen und gezielte Anreize, um Innovationen und Unternehmertum zu fördern. Die Zukunft muss nicht verwaltet, sondern gestaltet werden. Also lasst uns Unternehmer einfach machen! Dann werden wir diese Jahrhundertherausforderung auch erfolgreich gemeinsam stemmen.


Zum Schluss nun aber noch zu einem persönlichen Anliegen: Am 1. März hat dieses Land mit unserem ehemaligen Präsidenten und gutem Freund Dr. Richard Schenz nicht nur eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit verloren – Richard Schenz war vielmehr ein Mann der guten alten Schule, mit Prinzipien, immer am Dialog interessiert, um den Austausch mit allen bemüht. Solch ruhige, wohlüberlegende Manager und Unternehmer werden wir dringend brauchen, um die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu bewältigen. Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt der Familie von Richard Schenz! Lieber Richard, du wirst uns fehlen!


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