Standort unter Druck

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Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF) und Industriellenvereinigung Wien hatten Ende Mai ins Haus der Industrie geladen, um die Frage zu diskutieren, ob die heimische Wirtschaftspolitik den Turnaround noch schaffen könne. Denn darin, dass es um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs nicht gut bestellt sei, war man sich weitgehend einig.

In seiner Begrüßung ging IV-Wien Geschäftsführer Johannes Höhrhan darauf ein, welche Motivation hinter dem beharrlichen Einsatz für die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs stehe. Für die IV sei „Standortpolitik der Nukleus unserer Tätigkeit. Standortpolitik hat für dieses Haus daher einen ganz besonderen Stellenwert.“ Leider sehe man aber, dass der heimische Industriestandort in den vergangenen Jahren merklich an Konkurrenzfähigkeit gegenüber Mitbewerbern eingebüßt habe. „Und man hat häufig den Eindruck, das die noch nicht alle realisiert haben“, so Höhrhan. Die sei gefährlich, man dürfe die Augen nicht vor den Fakten verschließen, denn „die sprechen leider eine deutliche Sprache“. 

Auch das Vorstandsmitglied des WdF-Wien, Marcin Kotlowski, Geschäftsführer der WH Medien GmbH, mahnte, dass vor Österreich gewaltige Aufgaben lägen. So sei allein fortschreitende Digitalisierung eine gewaltige Aufgabe. Durch die jüngsten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, werde sich vieles nun in noch rascherem Tempo verändern. „Wir müssen jetzt einen vernünftigen und breiten Diskurs starten, um uns auf all diese Herausforderungen einzustellen“, so Kotlowski, der dafür plädierte, „die Last auf möglichst viele Schulter zu verteilen“, denn gemeinsam werde es leichter werden, die anstehenden Mammutaufgaben auch erfolgreich zu bewältigen. 

„Ist Europa noch relevant?“ 

In einem kurzen Impuls gab Monika Köppl-Turyna, die Direktorin von EcoAustria, einen Überblick über die größten Herausforderungen, vor denen der Standort Österreich aber auch Europa insgesamt derzeit stehen. So habe sich beispielweise die Entwicklung der Gaspreise in Europa von der Entwicklung in den USA entkoppelt. Inzwischen sind die Preise für Gas auf dem alten Kontinent ständig rund zwei oder gar dreimal so hoch wie in den USA. Interessantes Detail und standortpolitische Warnung dabei: In der Industrie ist die Nachfrage nach Gas gesunken – allerdings vor allem wegen eines Rückgangs der Produktion. In Österreich seien zudem die hohen Lohnstückkosten ein großes Problem, durch die demographische Veränderung komme eine weitere, große Herausforderung auf uns zu, so Köppl-Turyna: Immer weniger Aktive müssten immer mehr Pensionisten finanzieren. Gleichzeitig sei der Trend in Richtung Teilzeit, und zwar keineswegs nur bei Frauen, ungebrochen, so die Ökonomin. Insgesamt müsse man sich die Frage stellen, inwieweit Europa als Wirtschaftsfaktor noch relevant sei. Gemessen am weltweiten BIP sinke der europäische Anteil kontinuierlich, während China rasch wachse und die USA sich im globalen Wettbewerb besser behaupten als die EU. „Europa verschläft gerade wieder viele Entwicklungen, vor allem im Bereich der Digitalisierung“ warnte Köppl-Turyna. 

„Ich zahle gerne Steuern, aber…“ 

In der anschließenden Diskussion wurden die unterschiedlichen Standortfaktoren aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet. So nannte etwa Valerie Hackl, Aufsichtsratsmitglied Strabag, KSV1817, Ankerbrot, vor allem die hohen Personalkosten sowie den derzeitigen Regulierungsrahmen als die beiden größten Herausforderungen. Dabei müsse man betonen, so Hackl, dass „Regulierung an und für sich gut ist, das schafft Sicherheit“, allerdings nehme die derzeitige Regulierungswut kein Ende. Hier müsse man wieder zu vernünftigen Dimensionen zurückfinden. Ein ähnliches Dilemma ortete der Gründer und CEO der Teddy Beteiligungsgruppe sowie Geschäftsführer von Johann Kattus, Maximilian Nimmervoll, beim Thema Steuern: „Ich zahlen gerne Steuern, wir wollen ja moderne Infrastruktur, Sicherheit oder auch einen vernünftigen Sozialstaat finanzieren. Aber es wäre wichtig, wenn das Steuergeld auch effizient eingesetzt wird“, so Nimmervoll. Das sei aber eben derzeit leider gar nicht der Fall. 

Dass es in Österreich ein Umdenken in vielen Bereichen brauche, wurde mehrmals in der Runde betont. Allerdings gab Markus Schaffhauser, Generaldirektor Eviden Austria, zu bedenken, dass „Wahljahre nicht ideal sind, für große Entscheidungen“, weshalb größere Themen bereits hintangestellt würden. Dadurch werde sich der Abstand zur globalen Konkurrenz weiter vergrößern. Zudem habe sich seit Corona ein „Anspruchsdenken“ in Österreich breit gemacht. Es brauche daher dringend eine Änderung der Mentalität hin zu einer neuen Leistungskultur. In dasselbe Horn stieß auch die Direktorin der Hafen Wien GmbH, Doris Pulker-Rohrhofer: Es müsse gelingen, bei mehr Menschen wieder eine „Lust auf Arbeit und Erfolg“ zu wecken. Und was den Standort Österreich betrifft, wünsche sie sich von der Politik vor allem viel mehr Investitionen in eine moderne Infrastruktur.