REFORMAGENDA, ANYONE?

Das neue Jahr steht schon merklich unter den Vorzeichen der Wahlen, die heuer stattfinden. Antworten auf die Frage, wie wir die Zukunft des Wirtschaftsstandorts langfristig absichern wollen, fehlen bisher aber

2024 wird von vielen zu Recht als Superwahljahr bezeichnet: In zahlreichen Ländern, nicht nur in Österreich, stehen nationale Wahlen an, zudem werden auch auf Ebene der EU die Weichen neu gestellt. Sicher ist damit, dass das Jahr spannend bleiben wird. Wichtiger wäre aber: Bringt uns dieses Jahr vielleicht auch so etwas wie einen optimistischen Blick auf die Zukunft?


Denn seien wir ehrlich, derzeit gibt es nicht allzu viel, das zuversichtlich stimmt. So ist die ohnehin überdurchschnittlich hohe Teuerung in Österreich mit Jahresbeginn sogar wieder leicht gestiegen. Die hohen Lohnabschlüsse 2022 und 2023 belasten viele Unternehmen auf existenzielle Weise – bei den Lohnstückkosten sind wir ja sowieso top in Europa, leider. 

Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, ohnehin seit Jahren konstant unter zunehmendem Druck, ist mittlerweile deutlich abgeschmiert. Um den Jahreswechsel veröffentlichte der „Economist“ ein Ranking mit 35 Volkswirtschaften, um herauszufinden, welche Staaten der reichsten OECD-Länder 2023 am besten performt haben. Österreich kommt dabei auf Platz 33. Ein Alarmsignal – wenn es denn gehört wird.

Aus Sicht eines Unternehmers ist es recht simpel: Jeder muss sich mittlerweile die Frage stellen, inwiefern weitere Investitionen am Standort Österreich überhaupt noch rentabel sein können. Kein Wunder also, dass manche dieser Investitionen bereits jetzt nicht mehr bei uns, sondern irgendwo im Ausland getätigt werden. Die nackten Zahlen geben hier die Richtung vor, und diese kann sich auch die Politik, bei allem Bemühen, nicht schönreden.

Apropos nackte Zahlen: Wie bekannt ist, war und bin ich ein großer Fan der Abschaffung der kalten Progression. Dieser Schritt war seit Langem überfällig und stellt eine der wenigen gelungenen strukturellen Reformen der vergangenen Jahre dar. Eine echte Entlastung für alle – und ein wichtiges Signal dafür, dass sich Leistung in diesem Land auch wieder lohnen sollte.

Wenn Sie aber vermuten, durch diese Maßnahme müsse ja auch die gesamte Steuerbelastung in Österreich merklich sinken, dann liegen Sie leider daneben. Laut Berechnungen des Finanzministeriums steigt die Steuer- und Abgabenquote heuer leicht, von 42,9 auf 43 Prozent. Auswertungen des Neos Labs legen gar einen Anstieg auf 43,2 Prozent nahe.

Das mag auf den ersten Blick nicht nach allzu viel klingen, aber: Das Grundproblem ist seit Jahren, dass unsere Steuer- und Abgabenquote viel zu hoch ist! Vor Jahren schon wurde daher von vielen Seiten, auch von manchen Parteien, die Forderung laut, dass es in Österreich gelingen müsse, diese Quote schrittweise auf deutlich unter 40 Prozent zu senken. Auch seitens der IV trommeln wir diese Forderung seit Jahren; wie man sieht, bisher vergebens. Wobei der vom Bundeskanzler in Wels vorgestellte „Österreichplan“ ja nun endlich zumindest einen Teil dieser Forderungen konkret berücksichtigt. Das muss aber dann auch wirklich umgesetzt werden.

Damit noch zu einem letzten Punkt, der allerdings keineswegs als der trivialste verstanden werden darf: unsere Budgetpolitik. Österreich, noch nie besonders gut im sorgfältigen Umgang mit Steuergeld, wird in den kommenden Jahren – geplant und fix budgetiert – 20 Prozent mehr Geld ausgeben, als die eigentlich munter sprudelnden Steuereinnahmen in den Budgettopf spülen. Und das wohlgemerkt unter recht optimistischen Annahmen über die Rahmenbedingungen im heurigen Jahr, etwa beim Wirtschaftswachstum. Am Ende dieses Jahres könnten sich diese 20 Prozent Mehrausgaben im Rückblick sogar noch als reines Wunschdenken entpuppen.

Summa summarum: There is something rotten in the state of Austria. Und klar ist angesichts der nackten Zahlen auch, dass wir aus der derzeitigen Schieflage nicht herauskommen werden, ohne Federn zu lassen. Denn am Ende des Tages bringt es niemandem etwas, wenn wir den Kopf in den Sand stecken und die einfache Realität verleugnen: Österreich hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem!

Was es daher brauchen wird, ist die Entwicklung einer großen Reformagenda – Reformen, dieses in Österreich so ungeliebte Wort. Klar: Bei echten strukturellen Reformen wird manche Maßnahme auch schmerzhaft sein (müssen!). Die Menschen davon zu überzeugen wird sicher nicht leicht. Aber warum gelingt das anderswo?

Nehmen Sie das Beispiel Griechenland: Vor nicht allzu langer Zeit wurde das Land, damals der Prügelknabe Europas, aufgrund seiner Überschuldung und strukturellen Probleme auf einen strikten Sparkurs gezwungen. Aber auch, wenn dieser Kurs nicht ganz freiwillig eingeschlagen wurde: Am Ende wurde jene konservative Regierung, die diesen Kurs durchdrücken musste, sogar wiedergewählt. Was nur wieder zeigt: Keiner geht gerne den schmerzhaften Weg – aber wenn es sein muss, und wenn klar ist, wohin der Weg führt, dass es sozusagen Licht am Ende des Tunnels gibt – dann gibt es dafür auch Zustimmung seitens der Wähler.

Und genau das fehlt bei uns. Es braucht eine konzise, nachvollziehbare Erzählung darüber, warum welche Maßnahmen gesetzt werden müssen – damit es uns morgen besser geht als heute. Und nicht nur uns, sondern auch unseren Kindern und Enkelkindern. Sachlich und anhand der nackten Zahlen durchdekliniert ließe sich so sehr wohl auch die viel beschworene Mitte der Gesellschaft wieder für die Politik gewinnen, mit Hirn und Herz.

Das heißt in einem ersten Schritt, dass man sich den Problemen stellen muss, sie klar benennen muss. Und dazu wird es mehr Mut seitens der Politik brauchen als derzeit. Nehmen wir nur ein Beispiel, und zwar eines, das einen unserer größten Budgetfresser überhaupt betrifft: das Pensionssystem.

Um die Entwicklung der Pensionsausgaben stets zu überwachen und der Politik mit Handlungsanweisungen zur Seite zu stehen, wurde eine Alterssicherungskommission eingerichtet. Das Problem? Seit nunmehr über zwei Jahren ist diese Kommission de facto handlungsunfähig. Ihr letzter Vorsitzender warf am Ende entnervt das Handtuch, die Politik wolle die Wahrheit ja ohnehin nicht hören. Seit damals ist der Posten vakant.

Daher ist die abschließende Frage wohl leider so wichtig und aktuell wie nie: Wer in der Politik traut sich – endlich! –, den Menschen in diesem Land reinen Wein einzuschenken, den Realitäten ungeschminkt ins Auge zu blicken? Und wer ist sodann bereit, mit ebendieser Klarheit und Ehrlichkeit einen Weg vorzuzeigen, der am Ende allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes Vorteile bringt? Angesichts der Dauerbeschallung mit populistischen Phrasen wäre ein programmatischer Wahlkampf, der nicht nur an das Hirn und das Herz der Österreicher appelliert, sondern auch Zukunftsperspektiven für alle aufzeigt, erfrischend innovativ. 

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