Österreich an der Kippe

Das Jahr geht dem Ende zu und es fällt nicht leicht, mit Optimismus in das kommende zu blicken. Österreich braucht dringend eine Kehrtwende in der (Standort-)Politik – in einem Wahljahr eine besondere Herausforderung.

Bei unserer Vollversammlung konnten wir heuer Finanzminister Magnus Brunner als Ehrengast begrüßen. Ich schätze ihn als einen kompetenten und integren Politiker. Nicht zuletzt auch deshalb hatte ich mir vorgenommen, in meiner Rede möglichst positiv zu bleiben, nur konstruktive Kritik zu üben – denn einerseits regieren in Österreich ja im Normalfall zwei Parteien in einer Koalition, der Kompromiss ist daher immer ein Teil unserer Politik, keiner kann Maximalvorstellungen durchsetzen.
Und zudem (Stichworte Abschaffung der kalten Progression sowie Senkung der Körperschaftssteuer) ist dieser Bundesregierung ja auch manches sehr gut gelungen.

Und trotzdem geht vieles in unserem Land in die völlig falsche Richtung. Diesbezüglich war einmal mehr die Analyse von Franz Schellhorn sehr ernüchternd: Der Direktor von Agenda Austria lieferte eine auf den Punkt gebrachte Einordnung der Entwicklung des Standorts Österreich. Insofern sind seine Auftritte wie immer beinahe ein Vergnügen – auch wenn der Inhalt erschreckend, nahezu schmerzhaft war.

Österreich hat es bekanntlich nur ein einziges Mal geschafft, einen Budgetüberschuss zu bilden. Wir haben somit immer auf zu großem Fuß gelebt; mehr ausgegeben, als wir eingenommen haben. Die verfehlte Nullzinspolitik der vergangenen Jahre hat die Politik nur noch weiter animiert, zur einfachsten Form der Lösung von Problemen zu greifen: nämlich Geld zu drucken. Dass sich dies irgendwann rächen musste, war vielen klar, aber langfristiges Denken ist in der Politik selten besonders populär. Und so kam, was kommen musste. 

Die Aufwendungen für die Zinsen der Schulden der Republik steigen und steigen. Gleichzeitig laufen viele Kosten, insbesondere etwa für das Pensionssystem, völlig aus dem Ruder. Im kommenden Jahr werden wir so insgesamt bereits 20 Milliarden Euro mehr ausgeben, als wir einnehmen. Und dieser Annahme aus dem Budget liegt ein relativ optimistisches Wachstumsszenario zugrunde …

Österreich muss eine rasche Kehrtwende vollziehen, dringend braucht es standortpolitische Maßnahmen, denn in allen relevanten Rankings sind wir deutlich abgerutscht. Und wenn wir als Standort nicht wettbewerbsfähig sind, wird es uns in der Industrie auch nicht gelingen, jenes Geld zu verdienen, das die Politik so gerne verteilt. An dieser Stelle auch ein Wort zu den Gewerkschaften: In den KV-Verhandlungen hätte ich mir gerade in diesem schwierigen Jahr eine echte Sozial-PARTNERschaft erhofft. Beispielsweise ist die Lage in der metalltechnischen Industrie, zu der auch meine Unternehmen gehören, alles andere als leicht:Die Produktivität in Österreich sinkt, die Industrie steckt in einer Rezession. Ein Drittel unserer Unternehmen rechnet sogar mit einem negativen Ergebnis. Dass die Gewerkschaften ausgerechnet in dieser Situation auf derart sture Fundamentalopposition schalten, zeugt von wenig Weitblick.

Zu dieser Misere kommen noch unsichere Aussichten auf ein Wahljahr hinzu, das es in sich haben wird. Bereits jetzt wird von manchen Protagonisten fröhlich über immer neue Belastungsideen sinniert. Allein dieses Gerede über Erbschafts- und Vermögenssteuern in Österreich ist Gift für den Standort – denn gerade Familienunternehmen bilden das Rückgrat unserer Industrie!

Und neue Steuern sind ja nicht genug – die Liste an das Christkind umfasst auch Arbeitszeitverkürzungen, Verbesserungen bei den Pensionen (schon wieder?!), mehr Urlaub für alle und ganz viele tolle Gratisleistungen für jedermann! Vater Staat soll zahlen, das Geld nehmen wir „den Reichen“ weg. Währenddessen fällt es dem Mittelstand immer schwerer, überhaupt Vermögen zu bilden, arbeiten die Menschen ohnehin schon immer weniger, weil unser Steuer- und Sozialsystem de facto
Teilzeit für viele attraktiver macht als Vollzeit, und so weiter und so fort.

Den Glauben an das Christkind sollten die meisten Erwachsenen eigentlich hinter sich gelassen haben. Hoffentlich bringt das neue Jahr hier etwas mehr Sachlichkeit – denn es wäre schlichtweg Wählertäuschung, wenn man den Menschen inn Österreich nicht endlich reinen Wein einschenkt: Wir stehen als Standort an der Kippe. Wenn wir das Richtige machen, dann können wir aber noch den Turnaround schaffen und wieder an die Erfolge früherer Zeiten anschließen.

Das wird nicht ohne gewisse Opfer gehen. Auch das ist eine Wahrheit, über die wir offen reden sollten. Denn die Alternative wäre ein weiteres „Absandeln“ des Standorts Österreich – bis wir einen Punkt erreichen, wo es ohne wirklich schmerzhafte Maßnahmen nicht mehr gehen wird. Es kann doch nicht sein, dass wir es – wie viele andere Staaten - erst so weit kommen lassen müssen, um unser Land endlich strukturell auf neue Beine zu stellen.


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