Neues Jahr, neue Krise?

Das zu Ende gehende Jahr 2022 hatte es in sich, das Kommende wird nicht gerade leichter.Optimismus fällt etwas schwer, sollte uns aber dennoch in das neue Jahr begleiten.

Das Ende eines Jahres ist traditionellerweise die Zeit, um Bilanz zu ziehen und den Ausblick auf die nahe Zukunft zu wagen – heuer gehört tatsächlich ein wenig Mut dazu. Genau das, also Bilanz und Ausblick, standen im Zentrum meiner Rede anlässlich der Vollversammlung der IV-Wien.


Und immerhin gab es, Stichwort Abschaffung der kalten Progression, ja auch vereinzelte Lichtblicke in diesem sonst eher düsteren Jahr. Dennoch geht 2022 mit einem schalen Beigeschmack zu Ende. Vor allem, weil es nach wie vor so scheint, als hätten längst nicht alle verstanden, wie ernst die Lage für ganz Europa ist.


Nur unser Kontinent leidet unter abstrusen Energiepreisen – für jeden eine Belastung, für die exportorientierte Industrie der mögliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Produktionen werden gedrosselt oder verlagert, wir verlieren in der Industrie unsere Wettbewerbsfähigkeit. Dadurch könnte 2023 eine neue Krise deutlich spürbar werden: Die zunehmende Deindustrialisierung Europas.


Gewarnt haben wir 2022 oft und regelmäßig vor dieser Entwicklung. Dennoch scheint man auf Ebene der EU, wo wirklich effektive Maßnahmen möglich und notwendig wären, weiter zögerlich. In Österreich sollen weitere Unterstützungs-maßnehmen folgen, um nicht zu viel an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland zu verlieren. Ok, wenn das kommt, aber eigentlich ein Eingeständnis des Scheiterns gesamteuropäischer Politik. Von wegen geeintes Europa.


Und so oder so sollten wir statt Feuerwehr zu spielen und immer nur akute Brände zu löschen endlich grundsätzlicher denken und eine strategische Vision entwickeln, die in eine ebenso strategisch durchdachte, realistische Industriepolitik mündet. Die Politik sollte sich einmal überlegen, woher der Wohlstand denn kommt, den sie so gerne umverteilt. Jeder zweite Euro kommt bei uns aus dem Export – noch!


Am Tag der Vollversammlung gab uns IV-Chefökonom Christian Helmenstein einen recht schonungslosen Blick auf den aktuellen Zustand der Weltwirtschaft: drohende Rezession in Europa, Stagnation in den USA, Ende des Booms in China und so weiter. Aber er versuchte auch Optimismus zu vermitteln: stabilere Preise für Rohstoffe uninkende Frachtraten, vier Prozent und mehr Wirtschaftswachstum in einigen Teilen der Welt - Stichwort Tigerstaaten.


Er hat sicher recht: 2023 wird nicht einfach, das kommende Jahr wird uns viel abverlangen. Aber es gibt immer auch Chancen – und in vielen Bereichen liegt es ja durchaus an uns selbst, es einfach besser zu machen. Seitens der IV-Wien werden wir natürlich auch im kommenden Jahr mit voller Kraft unseren standortpolitischen Beitrag zur Weiterentwicklung
der Technologiemetropole Wien sowie insgesamt zur Stärkung des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Österreich leisten.


Am Ende dieses so schwierigen Jahres möchte ich daher zweierlei tun: Einmal möchte ich Ihnen danken, denn eine freiwillige
Interessenvertretung ist nur so stark wie die Unterstützung ihrer Mitglieder. Zweitens möchte ich Sie auch weiter zur aktiven Mitarbeit einladen: Denn wir werden laut und deutlich bleiben müssen, um von der Politik systemische Maßnahmen einzufordern, die über den Zeithorizont der nächsten Wahl hinaus gedacht und wirksam sind. Ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam das Jahr 2023 zu meistern!


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