Energiewende als „Generationenprojekt“

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Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wien und die Energiekrise – was erwartet uns 2023“ im Haus der Industrie wurde eines deutlich: Das Thema Energie wird uns in Österreich und Europa noch sehr lange intensiv beschäftigen.

„Wir müssen die Versorgungssicherheit mit leistbarer Energie und damit unsere Wettbewerbsfähigkeit absichern, unsere Energie-Quellen diversifizieren, um resilienter zu werden und gleichzeitig die Dekarbonisierung vorantreiben“, umschrieb IV-Wien-Vizepräsident und VERBUND-CEO Michael Strugl, eingangs die aktuellen Herausforderungen. Er erinnerte zudem daran, dass der Anstieg der Energiepreise bereits vor dem Krieg in der Ukraine begonnen habe. Auch langfristig werde man nun sicher nicht mehr auf das Preisniveau von früher zurückkommen. Angesichts der akuten Krise sei sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene viel getan und vor allem auch viel angekündigt worden, so Strugl, der etwa auf das Vorhaben der EU-Kommission, ein neues Strommarkt-Design zu erarbeiten, verwies. Dass hier konkrete Vorschläge bis Ende März auf dem Tisch liegen sollen, hält er für „sehr sportlich“, denn „das muss alles sehr genau durchdacht und vor allem auch zu Ende gedacht werden.“ 

Vor allzu großer Hoffnung auf hohe Geschwindigkeiten warnte auch der Generaldirektor-Stellvertreter der Wiener Stadtwerke, Peter Weinelt: „Die Dekarbonisierung ist vielmehr ein Generationenprojekt. Wir müssen die gesamte Infrastruktur aus- bzw. umbauen.“ Man müsse den Menschen aber auch klar machen, dass die Energiewende, wenn man sie denn wünsche, nicht funktionieren könne, ohne, „dass man dabei etwas sieht. Windräder, Photovoltaikanlagen, Speicher, Leitungen und so weiter – wir müssen alles ausbauen, was möglich ist, sonst kann es nicht gelingen.“ Österreich alleine könne die Dekarbonisierung ohnehin nicht stemmen, es brauche ganz klar „mehr Europa“. 

Derzeit jedenfalls sei das Thema Versorgungssicherheit weiter hoch aktuell, auch wenn in den letzten Wochen vor allem „der Politiker Winter“ alles dafür getan habe, damit in ganz Europa der Gasverbrauch deutlich gedrosselt werden konnte, so Andreas Eigenbauer, Gruppenleiter für strategische Versorgungssicherheit in der Wiener Magistratsdirektion. Sein Rat an Unternehmen sei, sich vor allem für drei Szenarien selbst Pläne zu überlegen: „Was kann ich im Falle eines Blackouts machen? Was im Fall einer Strommangellage, was bei einer Gasmangellage?“ Beim Thema Gas (Zuständigkeit Bund) habe man im Krisenfall zumindest, dank hoher Speicherstände, eine längere Vorlaufzeit, bei Strom könne es dagegen schneller gehen: „wir sind hier in Wien aber vorbereitet, die Verordnungen liegen in der Schublade. Sollte es etwa zu Flächenabschaltungen kommen müssen, ist der Austausch mit den Betroffenen jedenfalls entscheidend.“  

Alle Beteiligten waren sich darin einig, dass die in Europa - im Vergleich zum Rest der Welt - hohen Energiekosten weiter eine große Belastung für unsere Wettbewerbsfähigkeit bedeuten. „Unternehmen werden zweimal überlegen, ob sie Investitionen tätigen, dabei bräuchten wir diese gerade jetzt“, so etwa Strugl. Positiv sei zu bewerten, so Weinelt, dass zumindest „alle einer Meinung sind: so geht es nicht weiter“. Um die Energiewende zu schultern, wünsche er sich vor allem „eine ruhige Hand und einen gesunden Pragmatismus. Was heute im Energiebereich entschieden wird, hat Auswirkungen für mehrere Generationen.“ Genau daher brauche man beim Thema Energie in Europa „integrierte Planungsansätze. Durch die zersplitterten Zuständigkeiten in Österreich wird dies aber gerade bei uns sehr schwierig“, so Strugl abschließend.