Die Krux mit der Inflation und dem lockeren Geld

Als eine der vielen negativen Begleiterscheinungen der schier endlosen Corona-Pandemie setzt uns allen nun auch noch die hohe Inflation gewaltig zu.

Auf 4,3 Prozent kletterte die Teuerungsrate im Dezember 2021 - ein Wert, den wir seit 1992 und somit seit über 30 Jahren nicht
erreicht haben. Und die Prognose der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) gibt wenig Hoffnung; die Preise scheinen auch in absehbarer
Zeit nicht zu fallen: Für das Gesamtjahr 2022 rechnet die ÖNB mit 3,2 Prozent Inflation, das WIFO mit 3,3 Prozent; erst 2023 ist ein Abwärtstrend am Horizont erkennbar (ÖNB-Prognose: 2,3 Prozent).

Besondere Sorgen bereitet dabei der offenkundige Unwille wichtiger Player, wirkungsvoll gegenzusteuern: Während die US-Notenbank
oder auch die Bank of England die finanzpolitische Notwendigkeit erkannt und eine Zinswende eingeleitet haben, ist auf europäischer Ebene keine Einsicht zu bemerken. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält weiter stur an ihrem ultra-lockeren Kurs der Niedrigzinspolitik fest; die europaweiten Rekorde bei der Preisentwicklung beurteilt sie als lediglich „vorübergehendes Phänomen“. Und dies, obwohl die
EZB jüngst zugeben musste, dass sie die Inflationsdynamik in ihren Jahresprognosen kräftig unterschätzt hat.

Europa braucht also eine finanzpolitische Trendwende – und zwar rasch! Denn die durch die Politik des lockeren Geldes erwarteten wirtschaftlichen Impulse greifen in der Realwirtschaft immer weniger, dafür werden die Finanzmärkte noch mehr befeuert. Die Tatsache, dass Geldwertstabilität das eigentliche Ziel der EZB ist, scheint reichlich in Vergessenheit geraten zu sein. Die EZB konterkariert damit ihren Gründungsauftrag. Offensichtlich stehen bei der mittlerweile eher von Politikern anstelle von Fachleuten geführten Institution
primär die Finanzierung und gleichzeitige Rettung einzelner Staatsfinanzen auf der Tagesordnung. Denn die aktuell gelebte
Nullzinspolitik überflutet die europäischen Märkte weiter mit billigem Geld und treibt die Schulden vieler Staaten, insbesondere
in Südeuropa, in besorgniserregende Höhen. Die Sparer hingegen kommt dieser Kurs teuer zu stehen: Für ihr Erspartes gibt
es kaum Zinsen, und die Inflation frisst die Geldreserven am Konto sowie am Sparbuch gnadenlos auf. Inflation bei Null-Zinsen bewirkt
zudem die größte Umverteilung von unten nach oben!

Doch nicht nur auf europäischer Ebene, auch in der heimischen Finanzpolitik fehlt der Blick und die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Kalte Progression heißt hierzulande das Gespenst, das gerade durch die steigende Inflation mehr und mehr an den Löhnen und Gehältern der Steuerzahler nagt. Das Problem: Die Steuertarifstufen werden nicht an die Inflation angepasst, wodurch der Fiskus seit langem ungerechtfertigt Milliarden aus den Taschen der Österreicherinnen und Österreicher in die Staatskasse schöpft.

Das Versprechen der aktuellen Regierungskoalition, sich bis zum Ende der Legislaturperiode diesem Thema anzunehmen und die kalte Progression abzuschaffen, scheint ad acta gelegt zu sein: Die jüngsten Signale aus dem Finanzministerium geben Anlass zur Sorge, dass die versteckten Steuermehreinnahmen auch weiterhin Kernbestandteil der heimischen Finanzpolitik bleiben sollen, ganz im Widerspruch
zum Regierungsprogramm. Dabei müsste gerade angesichts aktuell horrender Inflationsraten von teilweise über 4 Prozent ein modern und fair aufgestellter Fiskus diesen finanzpolitischen Irrweg beenden. Stattdessen bevorzugt die Politik, Geld, das ihr gar nicht zusteht, in „Gutsherrenart freihändig zu verteilen“ – und meint dann noch, dass dies gerechter und zielsicherer wäre…

Dass es auch ganz anders gehen kann, zeigt uns etwa das Schweizer Vorbild. Dort hat man sich der kalten Progression längst entledigt
und den Bürgerinnen und Bürgern bleibt durch die Berücksichtigung der Inflation bei der Steuerbemessung schlussendlich laufend mehr Geld im Börserl.

Um auch den Österreichern ehrlich, systematisch und langfristig inflationsgeschützt mehr Netto vom Brutto am Ende des Monats zu belassen, braucht es endlich Taten: Die kalte Progression muss abgeschafft werden. So brauchen wir auch nicht mehr alle paar Jahre die „größte Steuerreform aller Zeiten“!


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