5C statt 3G – willkommen in interessanten Zeiten!

„Mögest du in interessanten Zeiten leben“ – ein Satz, der in China als Fluch gemeint ist. Wir leben gerade inmitten solcher„interessanter Zeiten“: Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir uns Diskussionen über 2- oder 3G zurückwünschen würden?Über der Welt hat sich der perfekte Sturm zusammengebraut.

Krisen sind nichts Außergewöhnliches – sie gehören zum Leben dazu. Als Unternehmer lebt man ohnehin immer mit Krisen – man lernt früh, möglichst agil und flexibel auf Veränderungen jeder Art zu reagieren. Ohne die Fähigkeit, sich rasch an neue Gegebenheiten anzupassen, würde es keine Unternehmen geben, die seit Generationen existieren, sich immer wieder neu erfinden und damit überleben. Unternehmen können also Krise, das ist uns in unsere Genetik als gute Unternehmer und Manager eingeschrieben.


Was wir aktuell erleben, ist aber mehr als nur „eine Krise“. Es ist eine Multikrise – und aus der Kombination dieser Krisen braut
sich derzeit ein perfekter Sturm zusammen, dessen weltweite Auswirkungen noch keiner abschätzen kann. Denn fatalerweise
sind diese Krisen zwar teils voneinander unabhängig, werden sich aber gegenseitig verstärken. Kurz zusammengefasst stehen
wir vor der Herausforderung von „5C“: Climate, Covid, Conflict, Cost und Corn.


Beginnen wir mit dem aktuell am „einfachsten“ wirkenden „C“: Corona. Die Pandemie hat uns über zwei Jahre in Atem gehalten. Aktuell erleben wir, zumindest in Europa, eine kleine Pause, ein kleines Durchschnaufen – selbst das relativ strenge Italien hat sich mittlerweile von der 3G-Regel bei der Einreise verabschiedet. Am Flughafen Wien erwartet man diesen Sommer eine Auslastung von 90 Prozent des Niveaus von vor der Pandemie. Ein „Sommer wie damals“ also? Die Sommersaison
für den Tourismus scheint zumindest gerettet. Aber lassen wir uns nicht täuschen: Corona ist nicht weg. Es wird entscheidend
sein, ob wir dieses Mal wirklich vorbereitet in den Herbst gehen. Das hat bisher nicht ganz so gut geklappt. So oder so bleibt aber die Disruption der Lieferketten wegen Corona nach wie vor ein Problem, das Stichwort Shanghai muss an dieser Stelle genügen.


Ein „C“, nämlich „Conflict“, überschattet aktuelle ohnehin alles: Der schreckliche Krieg in der Ukraine ist einmal per se bereits eine der größten Katastrophen der jüngeren Zeit. Zieht man allerdings noch das weitere Eskalationspotenzial dieses Konfliktes in Betracht, so werden die Aussichten wirklich besorgniserregend. Und dabei sind militärische Horrorszenarien nicht einmal notwendig, um zu erkennen, dass diese Situation selbst nach Beendigung dieses Krieges nicht schlagartig einfacher werden wird. Der Hass auf allen Seiten wird uns noch Generationen begleiten. Den Traum eines geeinten Europas, wo jeder friedlich miteinander Handel treibt und damit alle gemeinsam prosperieren, können wir aktuell getrost ins Archiv der Geschichte stellen. Eine Rückkehr zu einer, wie auch immer aussehenden, „Normalität“ ohne Krieg wird schwer genug.


Damit direkt zum nächsten „C“, dem „Corn“: Der Krieg wird, gepaart mit Missernten in anderen Teilen der Welt – dazu mehr beim nächsten „C“ – Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in vielen Ländern haben. Manche Experten warnen bereits in sehr eindrücklichen Worten vor einem „Katastrophensommer“, der in manchen Weltregionen drohen könnte. Teils gewalttätige
Demonstrationen wegen steigender Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot gab es mancherorten bereits.


Verschärft wird dies alles durch „C“ Nummer vier: „Climate“. Die Herausforderung des Klimawandels ist vielleicht die bisher größte Herausforderung für die gesamte Menschheit. Selbst ohne die anderen Krisen müsste man hier von einer Mammutaufgabe reden. Bereits jetzt erleben wir Wetterextreme, man denke etwa an die beispiellose Hitzewelle in Indien diesen Mai, die für größte Verwerfungen sorgte. Ausfuhrverbote für Grundnahrungsmittel vereinen sich hier mit den bereits genannten Kriegsfolgen.


Die Klimakrise allein hätte für uns in Österreich eine Jahrhundertaufgabe bedeutet - die Transformation des Energiesystems, die möglichst weitgehende Dekarbonisierung der Wirtschaft – jeder kennt die Schlagworte, die konkreten Lösungen sind aber vielfach noch nicht ausgereift. Dementsprechend waren die optimistischen, politischen Ziele zwar sehr ambitioniert, aber noch halbwegs realistisch.


Durch den Krieg und unsere extreme Abhängigkeit von russischem Gas hat diese Thematik nun eine völlig neue Dynamik bekommen. Jetzt sollte es am besten sofort gehen – nur ist das technisch nicht möglich. Die innenpolitischen Implikationen dieser Diskussion lasse ich hier einmal außen vor.


Denn wir haben ja noch ein „C“ übrig: „Cost“. Und die Kosten, die stehen, wenn man so will, als Damoklesschwert über allem. Der Krieg und seine Folgen verursachen, neben dem menschlichen Leid, enorme Kosten, Corona hat ein Übriges dazu beigetragen – und ist noch nicht vorbei. Dass die Energiewende teuer werden würde, war immer klar. Jetzt müssen wir schon für den aktuellen Energiebedarf mehr Geld ausgeben und zudem sofort noch viel mehr in eine neue Energieinfrastruktur investieren. Das alles vor dem Hintergrund einer rasant steigenden Teuerung sowie einer dadurch drohenden
Stagflation.


Diesen letzten Faktor solle man nicht unterschätzen: Das Leben wird für alle teurer, aber darunter leiden natürlich vor allem jene mit geringerem Einkommen. Umfragen zeigen bereits jetzt, dass die Bürger die steigenden Kosten des täglichen Lebens mehr beschäftigen als der Krieg in unserer Nachbarschaft. Wir haben hier eine gesellschaftspolitisch explosive Mischung vor uns.


Die Analyse ist also so klar wie erschreckend: Die „5C“ kombinieren sich zum perfekten Sturm. Es ist offensichtlich, dass sich die Situation weiter verschärfen wird. Wie weit, wissen wir noch nicht. Klar ist aber, dass da etwas auf uns zukommt. Ist es aber allen klar? Ich bin mir da nicht so sicher, wir scheinen in Österreich einmal abzuwarten. Viele, vor allem auch in der Politik, leben offensichtlich nach einem Motto, das dem Komponisten Gustav Mahler zugeschrieben wird: „Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles 50 Jahre später.“ Schön wäre es, wenn wir den Sturm um uns herum ignorieren könnten. Funktionieren wird es aber nicht.


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