„UnternehmerTUM“ gilt als Best Practice für universitäre Innovations- und Gründungszentren. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Philipp Gerbert: Die Ingredienzien des Erfolgs waren passionierte Personen, allen voran CEO Helmut Schönenberger, eine stetig erstarkende ‚unternehmerische‘ TU München, eine unbeirrbare Gesellschafterin, Susanne Klatten, und die Schaffung eines eng vernetzten Ökosystems aus Forschung, Gründern, Unternehmern, Kapital und Politik und – last, but not least – eine attraktive Stadt, denn die Gründer müssen ja auch bleiben. Ich würde es nicht als ‚Rezept‘ bezeichnen; manches ist ‚Serendipity‘. Daher muss auch jede Region ihre eigenen Stärken suchen respektive bauen.
Die „UnternehmerTUM“ bietet ein breites Angebot für Ausgründungen aus der TU München an. Was waren die Beweggründe, darüber hinaus gezielt themenspezifische Venture Labs mit der TU und Industriepartnern einzurichten?
Die TUM Venture Labs zielen auf die Stärkung von Deep- Tech- und Life- Sciences- Gründungen. Hierzu braucht man eine starke Infrastruktur – deshalb sind wir noch stärker in die TUM integriert. Zudem muss man Entrepreneurship mit domänenspezifischen Markt- und Technologiekenntnissen verbinden – deshalb haben wir Managing-Direktoren, welche von Aerospace bis Food-Agro, von Quantum bis Robotik, von Energy bis Healthcare und mehr diese drei Komponenten vereinen, und viel Unterstützung aus der Industrie. Das Einzigartige ist jedoch: Es ist keine Ansammlung isolierter Labs, sondern eine integrierte Organisation. Damit werden etwa Additive Manufacturing in Aerospace, Food oder im Bau, Quantum Sensing in der Chemie, Robotik und AI in Healthcare, in meiner Sicht die Hotspots der Innovation, optimal unterstützt.
Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, die Anzahl der Gründungen von universitären Spin-offs bis 2030 zu verdoppeln. Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit mehr Deep-Tech-Spin-offs entstehen?
Die Universität muss voll dahinterstehen, es sollten unbedingt private Unternehmer und weitere Unterstützer gefunden werden, und die Politik muss die Freiheitsgrade schaffen und fallweise bei der Anfangsfinanzierung unterstützen.
Sie sind Quantenphysiker, Experte in Energietechnologien beziehungsweise Climate Action und zugleich Beirat von appliedAI – drei Technologiefelder in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Wie kann Europa in Schlüsseltechnologien der Zukunft erfolgreich sein?
Die Politik kann drei Dinge machen. First, do no harm: Die angstgetriebene Regulierungswut der EU, von Biotech bis AI, treibt immer noch einen Teil unserer besten Gründer in die USA. Zweitens: Unterstützung von Gründerzentren-Hubs – dies ist ein Hub & Spoke Business –, möglichst jenseits des „staatlichen Bereichs“. Zudem: Auftreten als Käufer für Prototypen in strategischen Feldern, etwa Aerospace oder Energy, wie die USA es tun. Drittens: Auf der Kapitalseite würden Investmentmöglichkeiten von Pensionsfonds und eine bessere Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen helfen.
Eine zentrale Rolle bei der Kommerzialisierung von Zukunftstechnologien spielt die Verfügbarkeit von Risikokapital. Wie sehen Sie hier die Rolle der europäischen Industrie?
Die wichtigste Rolle der Industrie ist, sich mit mehr Chancenfreude bei Aufträgen an Startups zu engagieren, Gründerzentren und Inkubatoren zu unterstützen und sich als Mentoren und Partner zu engagieren – ein starkes Ökosystem hilft allen. Auf der Kapitalseite sehe ich eher Risikokapital und Einzelpersonen, meist erfolgreiche Unternehmer; Firmen sind traditionell keine guten Finanzinvestoren.
ZUR PERSON
Philipp Gerbert ist Geschäftsführer der TUM Venture Labs, eines Joint Ventures von Technischer Universität München
und „UnternehmerTUM“, und Beirat von ppliedAI. Davor war er 15 Jahre lang BCG Senior Partner.