Mehrere Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg. Sehen Sie das auch in Ihrem Unternehmen?
Sabine Herlitschka: Wir sehen das in unseren Unternehmen, aber vor allem sieht man das schon seit Jahren in Studien und ich bin es gewohnt, evidenzbasiert zu arbeiten. Heute weiß man, dass Wettbewerbsfähigkeit sehr wesentlich durch Diversität unterstützt wird. Warum? Wir arbeiten in der Mikroelektronik an sehr komplexen Fragestellungen; je unterschiedlicher die Leute sind, die darauf schauen – egal ob in Geschlecht, Nationalität, Kultur oder Alter –, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, zu besseren Lösungen zu kommen.
Neben den vielen Vorteilen gibt es sicher auch Herausforderungen, die mehr Vielfalt in Teams mit sich bringt?
Axel Kühner: Wenn man unterschiedlich ist, gibt es immer Diskussionen, und die tun manchmal auch weh. Am Ende sind diese Diskussionen aber gut; das gilt auch im privaten Umfeld. Es braucht manchmal eine Diskussion und unterschiedliche Sichtweisen, um weiterzukommen. Wenn man unterschiedliche Meinungen hat, muss man Dinge erst diskutieren, bevor es losgeht, aber genau das macht es wertvoll.
Herlitschka: Diversität kommt nicht von alleine. Diversität ist Arbeit, da hat Axel Kühner recht. Es braucht Zeit, es braucht Verständnis, man muss zuhören können. Gleichzeitig beobachte ich aber, dass wir im Vorfeld von Entscheidungen so viel diskutieren und hinterfragen, dass die Entscheidung danach nichts mehr aus der Bahn bringt. Am Anfang dauert es also etwas länger, dafür ist man später viel schneller, weil man ganz viele Aspekte durchdacht hat und damit perfekt vorbereitet ist.
Den Studien zufolge macht Diversität im Topmanagement den größten Unterschied. In Österreich sind die Führungsetagen in großen Unternehmen noch sehr männlich geprägt. Warum ändert sich das so langsam und wie kann man das fördern?
Kühner: Was sind normalerweise die Voraussetzungen, die es braucht, um ins Topmanagement zu kommen? Die Erfahrung ist dabei wichtig. Wenn es aber wenige Frauen gibt, die diese Art von Karrieren machen können, ist es auch schwieriger, Frauen mit einer vergleichbaren Berufserfahrung zu finden. Man muss also bereit sein, diese Wege sehr früh zu fördern und auf der anderen Seite bei der Auswahl auch andere Kriterien anzusetzen. Wenn man bereit ist, die eigenen Kriterien und Profile aufzubrechen, wird es einfacher.
Herlitschka: Von den 56 börsennotierten Unternehmen in Österreich haben wir knapp 200 Vorständinnen und Vorstände, davon sind nur 17 Frauen. Von diesen 17 sind fünf CFOs und vier CEOs. Das ist heute der Stand in Österreich. Es gibt gute Frauen. Interessant ist, dass diese Frauen bei der Einführung einer Quote auf einmal viel leichter gefunden werden. Ich finde die Quote in Aufsichtsräten gut, in Vorständen aber nicht. Es braucht auch ein starkes unternehmerisches Element. Es muss im Interesse des Unternehmenserfolgs sein, mehr Diversität in den Vorstand zu bringen.
Kühner: Wenn wir neue Technologien fördern wollen, ist es normal, das mit politischer Unterstützung zu machen. Die Energiewende wird auch durch politisch gesteuerte Förderungen angetrieben. Wenn das Ziel das richtige ist, muss man solche Eingriffe manchmal akzeptieren.
Abseits des Geschäftserfolgs – tragen Unternehmen auch eine Verantwortung, die gesellschaftliche Vielfalt abzubilden?
Kühner: Wir alle sind ein integrativer Teil der Gesellschaft und übernehmen damit einen Teil der Verantwortung. Das kommt in Diskussionen oft zu kurz. Es wird dann von „der Wirtschaft“ gesprochen, als wäre das etwas Abstraktes. Wer ist denn nicht Teil der Wirtschaft? Damit sind wir auch mitten in der Gesellschaft und haben Verantwortung, weil viele Menschen in unseren Betrieben arbeiten.
Herlitschka: Genauso ist es, und ich möchte das unterstreichen: Es ist ungesund, wenn Gesellschaft und Wirtschaft immer als etwas Getrenntes betrachtet werden. Wenn die Zeiten anspruchsvoller werden, sieht man das deutlich. In der Pandemie waren Unternehmen oft wichtige Referenzpunkte, weil wir für und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort sind. Wir haben viel Übersetzungsarbeit gemacht, was die Regeln angeht. Wir geben das Beispiel, wie zeitgemäßes Arbeiten und Leben – man lebt auch während der Arbeit – aussehen kann.
Tue Gutes und sprich darüber – worauf sollte man bei der Kommunikation von Diversitätsstrategien und -erfolgen achten, um Vorwürfe des „Purplewashings“ zu vermeiden?
Herlitschka: Man sollte die Dinge, die man tut, auch zeigen. Es ist wichtig, nicht nur kompliziert über das Thema zu reden, sondern Rollenmodelle zu schaffen. Es gab eine gewisse Mode, über Diversität zu sprechen; heute sind wir in einer Phase, in der es darum geht, die Dinge auch zu zeigen. Genau deshalb haben wir als Industriellenvereinigung einen Diversitätspreis ins Leben gerufen. Ich freue mich auch, dass Axel Kühner und ich gemeinsam dafür stehen – auch das ist Diversität; nicht nur aufgrund des Geschlechts, wir bringen viel Unterschiedlichkeit an den Tisch. Der Industrie wird manchmal vorgeworfen, zu verzopft und traditionell zu sein. Das sind wir nicht. Genau das wollen wir mit dem Diversitätspreis zeigen.
Kühner: In der Kommunikation ist es immer wichtig, dass man transparent ist. Man darf nicht so tun, als gäbe es die dunklen Seiten nicht. Dort, wo wir Defizite haben, muss man sie auch ansprechen. Dennoch ist es sehr wichtig, zu zeigen, dass es bei uns so viele Unternehmerinnen und Unternehmer gibt, die etwas Positives tun und damit Veränderung bewirken. Der Diversitätspreis soll auch zeigen, dass es sich lohnt, mutig zu sein und es anders zu machen.