Aus gegebenem Anlass: Ein Lob der sozialen Marktwirtschaft

Eine Welt ohne Krisen und in absoluter Gerechtigkeit werden wir nicht erschaffen können – das versprechen nur gescheiterte Ideologien oder Sekten. Es gibt aber ein System, das sich als robuster Wohlstandsmotor und als sozial gerechter als alle anderen erwiesen hat: die soziale Marktwirtschaft.

Der politische Populismus feiert – so scheint es – in den westlichen Demokratien fröhliche Urstände. In der österreichischen Variante liefert er einfache Antworten auf komplexe Herausforderungen, fördert Frust oder bringt gescheiterte Utopien wieder auf die Agenda politischer Diskussionen. So folgte auf die Selbstzuschreibung des neuen SPÖ-Vorsitzenden, ein „Marxist“ zu sein, bei der romantischen Linken und auch bei vielen sich ohnehin selbst links verortenden Medienschaffenden ein wohliges Schaudern, wenn nicht Begeisterung. Politologen und Wissenschafter rücken zudem aus, um zu beteuern, dass der Marxismus entweder ohnehin harmlos oder in seiner realen Ausprägung eben einfach nur ein wenig fehlerbehaftet war und ist. Auf die vielen Millionen an Toten und die Armut, die sich auf marxistische Ideen berufende Regime zu verantworten haben, wurde bestenfalls in Nebensätzen kurz hingewiesen.

Es scheint in den westlichen Wohlstandsdemokratien zunehmend der politische Wertekompass verloren zu gehen. Das mag nicht zuletzt am Krisenstakkato der vergangenen Jahre liegen, denen gewählte Regierungen, so gut es ging, entgegentraten; manchmal besser, manchmal schlechter, manchmal glücklicher, manchmal unglücklicher – aber im Ergebnis doch so, dass es zu keinen signifikanten Wohlstandseinbrüchen oder sozialen Verwerfungen gekommen ist. Dabei wurden mitunter auch dirigistische Instrumente eingesetzt, das Grundsystem der Marktwirtschaft blieb aber unangetastet. Nicht ohne Grund: Die Marktwirtschaft ist das System, das besser in der Lage ist, sich selbst wieder aufzurichten und flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren; weil es Leistung fördert und belohnt, weil es Aufstieg möglich macht und weil es aus diesen Versprechen heraus soziale, unternehmerische und technologische Innovation produziert, die Grundlagen der Wettbewerbsfähigkeit und des Wohlstands der Zukunft.

Dem Sozialismus oder Marxismus, der sich nun wieder in die politische Debatte in Österreich geschlichen hat, fehlt es an diesem Mechanismus. Wie sehr man einen Staat mit sozialistischen Ideen in die Armut treiben kann, wird am Beispiel Venezuelas besonders deutlich: Mit dem durch große Ölvorkommen entstandenen Reichtum wurde und wird dort versucht, sich die Gunst des Volks zu erkaufen – mit allen fatalen Folgen. Das größte Übel liegt ganz tief im System: Es gibt keine Möglichkeit, ausreichend privates Kapital zu bilden, und keinen Anreiz, in Bildung, Infrastruktur und Innovationen zu investieren. Venezuela besitzt mehr Ölvorkommen als jedes andere Land der Welt, und dennoch gehört es zu den ärmsten Staaten der Erde. Es ist nicht nur der „Fluch der Ressourcen“, sondern der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ der zu Dysfunktionalität und den weltweit höchsten Inflationsraten geführt hat.

Was Winston Churchill für die Demokratie konzedierte – dass sie nämlich „die schlechteste aller Staatsformen ist, ausgenommen alle anderen“ –, mag vielleicht auch für die Marktwirtschaft gelten, aber: Die Marktwirtschaft in einem demokratischen System, gepaart mit einem effizienten Sozialstaat und Nachhaltigkeit, ist das Wirtschaftssystem, das, bei allen Schwächen, für Bürgerinnen und Bürger nachweislich die meisten Lebenschancen bietet. Die Grundvoraussetzungen dafür sind die Möglichkeit, Vermögen zu bilden, das Recht auf Eigentum, das Vertrauen in ein verlässliches Rechtssystem und der freie Austausch von Meinungen und Informationen. Es ist ein resilientes und robustes System, das wir verbessern können, aber an dessen Grundfesten wir nicht rütteln sollten. Das sollten wir nicht vergessen, wenn wir auf Marxisten und Populisten und ihre vollmundigen Versprechen im politischen Diskurs stoßen.


Die Redaktion weist darauf hin, dass Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe der iv-positionen der 7. Juli war.