Die COVID-19-Krise hat auch in Wien eine schwere Rezession ausgelöst. Die Bruttowertschöpfung brach im Jahr 2020 um real 5,6 Prozent ein, etwas weniger als in Österreich (-6,4 Prozent), weil der Absturz im 1. Halbjahr milder war. Dabei geht das Wachstumsminus Wiens zur Gänze auf den Wiener Dienstleistungsbereich zurück – mit Tourismus, Verkehrswirtschaft sowie Kultur- bzw. Freizeitwirtschaft als Brennpunkten. Die Industrie wirkte dagegen konjunkturstützend: Sie konnte (nur) in Wien ihre Wertschöpfung sogar steigern, wobei nach Branchen freilich ganz unterschiedliche Entwicklungen zu registrieren waren.
Nach den noch durch Lockdown-Maßnahmen geprägten Monaten bis Mai 2021 sehen wir jetzt eine kräftige und robuste Aufwärtsentwicklung. Für das Gesamtjahr sollte damit nach WIFO-Prognose für Wien noch ein Wertschöpfungszuwachs von real +3,6 Prozent und ein Beschäftigungszuwachs von +2,0 Prozent möglich sein. Wien wird also weitgehend der nationalen Aufwärtstendenz folgen, mit geringfügigen Nachteilen aus der erst schrittweisen Erholung des internationalen Dienstleistungshandels, vor allem des Städtetourismus. Für Österreich prognostizierte das WIFO im Juni für 2021 ein reales Plus im BIP von 4,0 Prozent, für 2022 von 5,0 Prozent.
Die Erholung aus der Krise ist derzeit kräftig, wirtschaftliche Abwärtsrisken kommen eher von medizinischer Seite. In dieser Situation sind smarte Initiativen zur Stärkung der Impfbereitschaft auch konjunkturpolitisch die wohl wichtigste Aufgabe – für die öffentlichen Träger, aber auch die regionalen Unternehmen. Die weitere Wettbewerbsfähigkeit Wiens dürfte sich vor allem über die Fähigkeit entscheiden, die anstehende digitale und ökologische Transformation zu bewältigen und für neue Chancen zu nutzen. Dies bedarf unternehmerischer Initiative, aber auch einer aktiven Rolle der öffentlichen Hand: Notwendig ist die Anpassung zentraler Infrastrukturen, die Förderung einschlägiger Investitionen bzw. Forschungsaktivitäten und die Diffusion von „good practices“, etwa über Demonstrationsprojekte. Notwendig ist aber auch eine konsequente Bildungs- und Qualifizierungspolitik, denn ohne entsprechende Kompetenzen in den regionalen Humanressourcen werden kompetitive Vorteile im digitalen und post-fossilen Zeitalter nicht zu haben sein.
Der Bericht wurde noch nicht veröffentlicht, weshalb wir an dieser Stelle noch keine Details präsentieren können. Generell zeigt sich aber, dass die sechs „Wiener Spitzenthemen“ die Stärken der Wiener Wirtschaft sehr gut abbilden. Auch konnten wir schon zu Beginn der Programmperiode für alle Themenbereiche eine solide Basis für die Weiterentwicklung der avisierten Aktivitäten identifizieren. Generell zeigt die Analyse, dass viele der Stärken Wiens im Bereich wissensintensiver Business Services liegen. Dennoch hat die Wiener Wirtschaft auch einen innovativen industriellen Kern mit hoher Wettbewerbsfähigkeit und erheblichem Zukunftspotenzial.
Das Spitzenthema setzt nach unserer Analyse auf einem industriell-gewerblichen Kern auf, der stark technologieorientiert ist. Zusammen mit den deutlichen Stärken Wiens in weiten Teilen der wissenschaftlichen und technologischen Dienstleistungen bietet das Thema durchaus günstige Voraussetzungen für die angestrebte Zielsetzung einer innovativen und wettbewerbsfähigen urbanen Produktion in der Metropolregion: Moderne, hybride Fertigungsformen beruhen ja gerade auf der synergetischen Verschränkung von Produktions- und Dienstleistungskomponenten, um am Markt mit Problemlösungen, statt mit einfachen Produkten zu punkten. Wichtig scheint dazu die weitere Schärfung des Profils der Region in Hinblick auf Alleinstellungsmerkmale. Initiativen könnten vor allem auf die vorhandenen strukturellen Stärken bzw. Aktivitäten mit hohem Entwicklungspotenzial (Schienenfahrzeugbau, Pharmaindustrie, Medizin- und Kommunikationstechnik, Sparten der Nahrungsmittelproduktion) aufbauen, ergänzt um partielle Ansiedlungsbemühungen in komplementären, aber am Standort fehlenden Bereichen sowie von spezialisierten F&E-Einrichtungen.
Gerade für metropolitane Industrieunternehmen bleibt erstens eine hohe Forschungs- und Innovationsorientierung zentral. Sie wird in Zukunft noch verstärkt auf die Verbindung von Technologiefeldern in neuen Anwendungsgebieten abzielen müssen, um neue Produkt-Markt-Kombinationen zu eröffnen. Zweitens werden die Integration digitaler Technologien und der Aufbau der dazu benötigten Kompetenzen in Fertigung und Logistik zunehmend über den Markterfolg entscheiden. Nach rezenten Umfragen ist dies den heimischen Unternehmen sehr bewusst, viele sehen sich aber gegenüber der Konkurrenz (noch) im Nachteil. Letztlich dürften auch von Veränderungen in den internationalen Wertschöpfungsketten Risiken wie Chancen ausgehen: So könnten Automatisierung und Industrie 4.0-Anwendungen neue Möglichkeiten eröffnen, auch Fertigungsfunktionen wieder in verdichteten und hoch entwickelten Räumen kosteneffizient abzuwickeln. Gleichzeitig könnten Tendenzen des „backshoring“ und „home-sourcing“ zur Stärkung der Resilienz von Lieferketten international agierende heimische Zulieferer negativ tangieren, weil sie mit einer Ausdünnung von Wertschöpfungsketten einhergehen. Umso wichtiger wird für diese Unternehmen die weitere Arbeit an firmenspezifischen Wettbewerbsvorteilen sein, um einen Status als schwer verzichtbare Systemzulieferer in Produktionsverbünden abzusichern.