„Qualifizierung ist der Schlüssel“

Arbeitsminister Martin Kocher sprach mit den iv-positionen über die Lage am Post-Corona-Arbeitsmarkt, Fachkräftesicherung und die Zukunft der Arbeit.

Martin Kocher
Foto: BM für Arbeit

Die Kurzarbeit ist mit 8 Mrd. Euro an bislang ausbezahlten Leistungen die mit Abstand bedeutendste Corona-Hilfsmaßnahme. Derzeit sind noch etwa 300.000 Menschen in Kurzarbeit, unlängst wurde eine Neuregelung (Phase 5) ab Juli vereinbart. Wie werden sich die beschlossenen Änderungen auf die Arbeitslosigkeit auswirken?

Es stimmt, dass uns die Kurzarbeit seit Beginn der Pandemie als wichtigstes Kriseninstrument begleitet hat, um Menschen in Beschäftigung zu halten. Es ist nun gelungen, ein angepasstes Folgemodell der Kurzarbeit zu vereinbaren, das einerseits ein konjunkturgerechtes Zurückfahren der Hilfsmaßnahmen sicherstellt, gleichzeitig aber auch Branchen berücksichtigt, in denen noch wirtschaftliche Notwendigkeit für Unterstützung vorherrscht. Ich denke nicht, dass diese Änderungen zu einer spürbar höheren Gesamtarbeitslosigkeit führen werden. Die Dynamik am Arbeitsmarkt insgesamt soll sich dadurch aber wieder normalisieren.


Im April hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, innerhalb eines Jahres 500.000 Menschen aus der Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit in eine Beschäftigung zu bringen. Wie kann das gelingen? Welchen Beitrag können die „Corona-Joboffensive“ und die Aktion „Sprungbrett“ leisten?

Mit dem Programm „Sprungbrett“ wollen wir Langzeitbeschäftigungslose beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt unterstützen.

Dabei geht es darum, jene Personen gezielt zu unterstützen, die es besonders schwer am Arbeitsmarkt haben. Bis Ende des nächsten Jahres sollen dadurch 50.000 Personen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die „Corona-Joboffensive“ ist die größte Aus- und Weiterbildungsoffensive der Zweiten Republik und liegt im Kompetenzbereich meines Ressorts.

Wir investieren in diesem und im nächsten Jahr 700 Mio. Euro in Qualifizierungsmaßnahmen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten vor allem die Möglichkeit, sich in Branchen weiterzubilden, in denen dringend Arbeitskräfte gebraucht werden. Zum Beispiel gibt es viele geförderte Möglichkeiten, um sich in der Pflege oder im Digitalisierungsbereich weiterzubilden. Das wird besonders relevant werden, wenn die Konjunktur stärker Fahrt aufnimmt und die Nachfrage nach gut qualifizierten Arbeitskräften weiter steigt.

Trotz aktuell noch immer hoher Arbeitslosigkeit suchen viele Betriebe, vor allem in industriestarken Regionen, nach Fachkräften. Die IV hat daher u.a. die Einrichtung einer Fachkräfteagentur auf Bundesebene angeregt, deren Aufgabe die Steuerung der mittel- und langfristigen Fachkräfteentwicklung sein soll. Wie können wir das Problem des Fachkräftemangels am besten bewältigen?

Qualifizierung ist der Schlüssel, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und mit gut ausgebildeten Arbeits- und Fachkräften besser aus der Krise zu kommen. Das AMS unternimmt viel, auch während Pandemiezeiten, um das Schulungsangebot laufend weiterzuentwickeln und so praxis und betriebsnahe wie möglich zu gestalten. Wir müssen Aus- und Weiterbildungen fördern und berufliche Karrierewege flexibler gestalten. Gleichzeitig haben wir die „Corona-Joboffensive“ mit dem Schwerpunkt auf Mangelberufe in Pflege, MINT und Digitalisierung, um den Skill Gap zu schließen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass arbeitsplatznahe Qualifizierungen und Implacementstiftungen zur Qualifizierung sehr gut funktionieren. Wir sind aber auch auf die aktive Beteiligung von Betrieben angewiesen. Generell haben im letzten Jahr rund 40 Prozent der Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer in der förderrelevanten Zielgruppe drei Monate nach Maßnahmenende einen Job gefunden. Das ist angesichts der Pandemie ein sehr guter Wert. Eine weitere Strukturierung von Qualifikationsmaßnahmen ist überlegenswert.

Die Corona-Krise hat manche „Dogmen“ der Arbeitswelt in Frage gestellt – man denke nur an den rasanten Digitalisierungsschub. Wie wird unter diesen Vorzeichen die Zukunft der Arbeit aussehen?

Die Art des Arbeitens ändert sich permanent: Einige Elemente des Strukturwandels – darunter die Digitalisierung – haben durch die Krise eine beschleunigte Entwicklung erfahren. Andere – wie die demografische Entwicklung – haben sich nicht oder nicht substanziell verändert. Das Homeoffice hat beispielsweise durch die Pandemie an Bedeutung gewonnen und es ist zu erwarten, dass Homeoffice auch nach der Pandemie nicht an Bedeutung für die Arbeitswelt verlieren wird. Ich denke der Trend hält weiter an, denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünschen sich Homeoffice vielfach auch nach der Pandemie. Sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite besteht zu großen Teilen der Wunsch nach 1 bis 2 Tagen Homeoffice pro Woche. Derzeit erleben wir die Transformation bestimmter Arbeitsprozesse in Richtung flexibler Gestaltung des Arbeitens. Entscheidend wird sein, wie die Gesellschaft mit dem Wandel in der Arbeitswelt umgehen wird.