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„Power Hour“: Usecases für KI im Industrie-Umfeld

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Mag. Valentin Falb

Themen- und Projektmanager, Geschäftsführer Junge Industrie Bund & Wien, Industriellenvereinigung Wien

Mag. Valentin Falb

Themen- und Projektmanager, Geschäftsführer Junge Industrie Bund & Wien, Industriellenvereinigung Wien

KI ist in aller Munde – aber welche konkreten Vorteile kann künstliche Intelligenz für Industriebetriebe bringen? Die IV-Wien und die IV-Niederösterreich hatten Anfang April ihre Mitglieder zu einer „Power Hour“ zu diesem Thema geladen. Jürgen Schmidt, Gründer der STRG.AT GmbH, zeigte dabei Möglichkeiten auf, wie und in welchen Bereichen Unternehmen KI gewinnbringend einsetzen können.

 Sehr geehrter Herr Schmidt, wenn Sie ein Unternehmen kontaktiert, was sind die ersten Schritte, zu denen Sie raten?

Know-how-Aufbau und die Erarbeitung einer Strategie. Wir wissen, dass derzeit und vor allem durch den Hype rund um ChatGPT viele Unternehmen in vermeintlichem Zugzwang sind. "Wir müssen jetzt auch etwas mit KI tun" ist eine häufige Forderung, die von den Vorständen an das Team weitergegeben wird, und daraus resultiert dann eine Herangehensweise, die weder strategisch noch inhaltlich geplant werden kann. Das ist aber ein erfolgskritischer Faktor beim Implementieren von KI-Anwendungen.

 Im ersten Schritt – so wie in allen anderen Projekten auch – muss daher ausgearbeitet werden, wo der Reason-why eigentlich liegt, was wir erreichen wollen und wie man das messbar machen kann. Parallel dazu kann man Know-how aufbauen. Es reicht nicht, ein paar Tools wie ChatGPT oder andere bedienen zu können. Man muss die Hintergründe verstehen lernen und sich damit auch beschäftigen. Aus diesem Verständnis der Arbeitsweise einer KI entstehen erste kreative Ansätze, wie man diese Errungenschaften für das eigene Unternehmen einsetzen kann. Die KI-Strategie ist sehr eng an die digitale Transformation gekoppelt. Und hier gilt: "Das ist Chefsache". Eine Strategie, die nicht wirklich von der Geschäftsleitung getragen und forciert wird, kann nicht gelingen.

 Die ersten Schritte sind für uns daher sehr klar: Möglichkeiten ausloten, Verantwortungen definieren und diese strategisch verankern. Eine innovationsfreudige Kultur im Unternehmen schaffen und sich darüber bewusst werden, dass auch Fehler passieren können. Bei größeren Unternehmen raten wir sehr klar dazu, eigene Abteilungen zu schaffen, die sich mit Innovation und Digitalisierung beschäftigen können, und diese definitiv von der IT abzutrennen.

Die meisten Menschen kennen inzwischen ChatGPT, kennen aber sonst kaum KI-Anwendungen. In welchen Bereichen kann KI konkrete Verbesserungen für Unternehmen bringen?

ChatGPT hat sich schneller verbreitet als jede andere SaaS(Software as a Service)-Anwendung. Schneller als jedes “Funtool” oder die diversen Social-Media-Portale. Das ist schon enorm und zeigt uns das hohe Interesse an einer Technologie, die es uns ermöglicht, mit einer Maschine in eine soziale Interaktion zu treten. Erreicht wurde das aber auch durch die Zugänglichkeit und die Möglichkeit, mit diesem System “zu spielen”. In anderen Bereichen von künstlicher Intelligenz ist das schwieriger.

Wir unterscheiden ja grundsätzlich generative KIs (wie z.B. ChatGPT) und optimierende KIs – also der gesamte Bereich von Data-Mining, Mustererkennung, Predictive Analytics usw. Die Bereiche überschneiden sich aber auch. Spannend für die Industrie: Man kann auf Basis vorhandener unstrukturierter Daten durch KI Muster erkennen, die einen wesentlichen Einfluss auf Geschäftsprozesse haben können und für Menschen nicht sichtbar sind. Diese Muster ermöglichen Vorhersagen und das Optimieren von Ergebnissen. Large Language Modelle können einen völlig neuen Zugang zu internen Dokumenten bieten und damit eine hoch verfügbare und leicht zugängliche Wissensbasis im Unternehmen schaffen. Der Hebel ist im Wesentlichen, dass wir unstrukturierte Daten verarbeiten können, ohne diese durch lange Prozesse dafür herrichten zu müssen. Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt. Für uns geht es darum, mit unseren Partnern auszuarbeiten, wo der Einsatz wirklich Sinn ergibt und wo man auch lieber die Finger davonlässt. Eine KI-Strategie muss für mich letztendlich immer auf die wirtschaftlichen Ergebnisse des Unternehmens einzahlen. 

Was sind die größten Stolperfallen für Unternehmen, wenn sie eine eigene KI-Strategie umsetzen wollen?

 Es ist ähnlich wie im gesamten Bereich der digitalen Transformation, die für Industrieunternehmen noch immer eine große Herausforderung ist. Ich differenziere zwischen Digitalisierung und Elektrifizierung. Nur weil etwas heute mit Unterstützung eines Computers gemacht wird, hat man es nicht digital transformiert. Um echte Transformation zu erreichen, müssen wir im Unternehmen vieles verändern können. Wir brauchen viel Mut, Experimentierfreude und einen scharfen Blick, um die richtigen Felder zu erkennen, in denen eine KI wirklich Sinn macht.

Bei der Umsetzung sehen wir immer wieder die gleichen Fehler. Einer davon ist, dass das Thema in der falschen Abteilung landet. Die IT ist im Unternehmen dafür verantwortlich, einen reibungsfreien Betrieb 24/7 sicherzustellen. Dort kann man nicht experimentieren, ohne Risiken einzugehen. Oft erleben wir auch, dass es auf C-Level eigentlich kein wirkliches Interesse gibt – und das erzeugt eine falsche Kultur. Erfolgreiche Manager, die KI in die Kernprozesse integrieren (und dort muss es hin) sind aufgeschlossen und begünstigen eine sehr moderne Kultur. Wir helfen natürlich häufig dabei, diese Kultur ins Unternehmen zu tragen und mit Lust und Freude an solchen Themen zu arbeiten, müssen aber bisweilen auch dabei zusehen, wie eine Idee ohne Strategie und von den falschen Leuten im Unternehmen umgesetzt wird und das Erstaunen über das Scheitern dann groß ist.

Diese Gefahr lauert stets und daher muss man das richtig angehen. Wir wissen, dass es in der Zukunft für Unternehmen, die KI nicht einsetzen, wenig Platz geben wird. Wir sehen diese Problematik bereits jetzt in vielen Industriezweigen. Innovationsbegeisterte Unternehmen sind hier schneller und dadurch einen großen Schritt weiter. Die Schlüssel liegen also darin, Innovationskultur zu etablieren, die eigenen Arbeitsweisen in Frage zu stellen und die Thematik KI sehr ernst zu nehmen. Es wurden schon viele Marktführer vom Mitbewerb überholt, weil sie auf die Möglichkeiten aktueller Technologie viel zu langsam Antworten entwickelt haben. Und ja, es ist aktuelle Technologie und nicht etwas, das vielleicht in der Zukunft möglich sein wird. Diese Zukunft ist jetzt.