IV-Wien-Präsident Pochtler: „Österreich steht vor einer Weggabelung“

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Mag. Martin Amor

Mediensprecher und Experte, Industriellenvereinigung Wien

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Diskussion mit Finanzminister Brunner über die soziale Marktwirtschaft, weit verbreitetes Anspruchsdenken sowie den fehlenden Leistungsgedanken. 

Diskussion mit Finanzminister Brunner über die soziale Marktwirtschaft, weit verbreitetes Anspruchsdenken sowie den fehlenden Leistungsgedanken.

 

„Österreich steht vor einer Weggabelung“, so der Präsident der IV-Wien, Christian C. Pochtler, im Rahmen der gestrigen Ordentlichen Vollversammlung. „Wollen wir uns auf die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft rückbesinnen? Denn diese bedeutet Wohlstand für alle mit sozialer Absicherung. Dazu gehört aber auch die Übernahme von Verantwortung für ein freibestimmtes Leben. Oder erliegen wir den Verlockungen eines vollkommen weltfremden, sozialromantischen Populismus? Viele rufen nach dem Vollkasko-, dem Nanny-Staat“, so Pochtler in seiner Eröffnungsrede im Haus der Industrie vor 200 Gästen. Dabei werde aber vergessen, dass man den Kuchen, den man verteilen wolle, zuerst einmal erwirtschaften müsse, wie der Präsident weiter ausführte. „Der Vollkasko-Staat, von dem viele träumen, würde sich spätestens für die nächste Generation als Albtraum offenbaren, sobald nämlich Schuldenlast und verlorene Wettbewerbsfähigkeit die Spirale nach unten in Job- und Wohlstandsverlust endgültig und unwiderruflich in Gang bringen.“ Bereits jetzt seien in Österreich die Belastungen durch Steuern und Abgaben viel zu hoch, eine nächste Bundesregierung müsse sich zum Ziel setzen, die Abgabenquote von derzeit über 43 Prozent auf deutlich unter 40 Prozent zu drücken.“

 

In Kombination mit der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit, viel zu hohen Lohnstückkosten sowie der teilweise leistungsfeindlichen Ausgestaltung unseres Steuer-, Abgaben- und Sozialsystems werde dies zu einem zunehmenden Problem für den Industriestandort Österreich. Hier müsse man dringend gegensteuern, und gerade jetzt brauche man sicher “keine zusätzlichen Steuerfantasien, wie Vermögens- und Erbschaftssteuern“, so Pochtler, denn ansonsten werde es nicht gelingen, „die schleichende Deindustrialisierung in Österreich, die bereits begonnen hat, zu beenden“. Die derzeit, mit Blick auf den Standort, falsche Prioritätensetzung sehe man auch am Budget, so der Präsident: „Zählt man den Zinsendienst sowie die stets steigenden Pensionskosten zusammen, dann geben wir bald über 40 Prozent der gesamten Einnahmen des Staates nur für die Vergangenheit aus – dabei bräuchten wir viel mehr Spielraum für Investitionen in die Zukunft“, so der Präsident.

 

„Muss der Staat alle Krisen kompensieren? Nein, das kann er nicht, das ist auch nicht die Aufgabe des Staates“, betonte der Ehrengast des Abends, Finanzminister Magnus Brunner, in seiner Rede. Seit Corona habe sich ein gewisses Anspruchsdenken breitgemacht, es sei wichtig, wieder auf einen Pfad zurückzukehren, wo man mit Steuergeld sorgsamer umgehe. „Immer nur mehr fordern ist zu wenig“, betonte er etwa mit Blick auf die Verhandlungen zum Finanzausgleich mit den Bundesländern. Ziel der Regierung sei es vielmehr, hier immer auch strukturelle Reformanstrengungen einzufordern. Wichtig sei es ferner, die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu stärken, aber keineswegs nur in Europa: Man dürfe hier nicht zu sehr in nationalen Dimensionen denken, so Brunner, denn „wir brauchen innerhalb Europas sicher keinen Subventionswettlauf. Unsere wahren Konkurrenten sitzen in China oder auch den USA, nicht in Bayern oder Nordrhein-Westfalen.“ In Österreich müsse man aber in jedem Fall, und hier waren sich Präsident Pochtler und Finanzminister Brunner einig, wieder mehr machen, um Leistung auch entsprechend zu honorieren. Hier sei im Rahmen der Abschaffung der kalten Progression bereits einiges gelungen, so Pochtler, denn „die Menschen sollen mehr von dem Geld, das sie mit ihrer Arbeit erwirtschaftet haben, in der eigenen Tasche spüren.“


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